Letzte Haut - Roman
die vor ihm lagen.
„Lieber Herr Verteidiger, Ihre Annahme in allen Ehren, aber wenn Sie nichts Konkretes vorzubringen haben, dann lassen Sie den Zeugen weiter ausführen“, warf Chefrichter Ende ein.
„Danke, Chefrichter“, sagte Schmelz: „Doch weil Sie gerade von Briefen geredet haben, Herr Verteidiger, es war in der Tat so, dass wir Briefe fanden! Ausgestattet mit einem Sonderbefehl des Reichsführers ließ ich im unmittelbaren Vorfeld der Verhaftung der Kochs die Privatpost des Ehepaares beschlagnahmen, die in der Poststelle des Lagers zu finden war. Später kamen all die Briefe hinzu, die bereits unterwegs waren. Und Schreckliches tat sich vor unseren ungläubigen Augen auf! In diesen Briefen war von riesigen Geldsummen die Rede, die auf Schweizer Konten deponiert waren oder deponiert werden sollten. Das Ehepaar beschrieb sich den immensen Reichtum, den es anhäufte. Er raffte weiter in Lublin zusammen und schaffte ständig beiseite. Sie dankte ihm immer wieder für den Luxus, in dem sie in der Koch’schen Villa in Buchenwald weiterhin lebte. Aus diesen Briefen ging also ein begründeter Verdacht hervor, der die sofortige Festnahme rechtfertigte. Und die anschließende Untersuchung der Villa gab uns dann auch Recht. Auch ließen wir die Konten des Ehepaares sperren und besorgten uns die Auszüge der letzten Jahre. Eine Liste der sichergestellten Luxusgegenstände liegt als Beweismaterial bei. Auch Kopien der Kontoauszüge liegen als Beweisstücke vor. Bis heute konnten zwar weder Ilse Koch noch Karl Koch ausreichend erklären, wie sie zu diesem großen Reichtum gekommen sind, aber vielleicht gelingt es dem hohen Gericht ja in diesem Prozess, sie zu einer wirklichen Erklärung zu bringen!“
„Wir tun unser Möglichstes“, sagte der vorsitzende Richter: „Oder hat die Verteidigung eine Erklärung dafür? Wie kann es sein, dass ein Standartenführer mit seinem normalen Gehalt plötzlich über goldene Wasserhähne verfügte? Wie kann es sein, dass eine Frau, die keinerlei Einkünfte hat, die nicht arbeitet und nicht vermögend ist, über eine ganze Kollektion von Pelzmänteln verfügte? Wie kann es sein, dass ein Ehepaar, das vor dreiunddreißig in Dresden bettelarm war und sich gebrauchte Möbel schenken lassen musste, jetzt eine ganze Fabrik in Dresden besitzt?“
Neid, Doktor Kurt Schmelz begriff bei den Worten des vorsitzenden Richters auf einmal, warum seine Ermittlungen solange geduldet worden waren. Es sei Neid gewesen. Er sehe doch in den Gesichtern der anwesenden hohen Prozessbeobachter, wie neidisch sie alle seien, da einer von ihnen sich soviel unter den Nagel habe reißen können! Darum seien ihm so viele Türen geöffnet worden! Wer selbst nicht mehr besitzen könne, der wolle wenigstens dafür sorgen, dass auch seine sauberen Kollegen und Kameraden nicht Unmengen besitzen! Die Elite des deutschen Volkes, zerfressen von Neid und Missgunst! Diese Offiziere da, Schmelz sah sie sich einen Moment lang an, der Großteil stammte doch wie er selbst aus ärmsten Verhältnissen. Sie waren doch von der Partei und der SS hochgespült worden. Sie waren gierig nach Reichtum und Macht, und wahrscheinlich hatte das alles alleine der Erbprinz durchschaut, der die Wesen dieser im Grunde bettelarmen und lechzenden Waschlappen, die ihre Stellungen mit aller Härte verteidigten, erkannt hatte. Er hatte ja selbst gesagt, auf Geld komme es ihm nicht an, als Erbprinz habe er genug davon. Damit meinte er also, dass es anderen sehr wohl darauf ankäme, die für Geld eben alles tun würden. Sogar Morden! Nein, die Waffen SS bestand aus keiner Elite, der Erbprinz musste das begriffen haben, diese Leute da, das waren gewöhnliche Verbrecher in Paradeuniformen. Sie waren zu allem bereit, und nun waren sie sauer, dass Koch als König der Verbrecher soviel zusammenraffen konnte, und wahrscheinlich waren nicht wenige von ihnen aus Schadenfreude gekommen. Missgunst sei hier die Antriebsfeder, schoss es Doktor Kurt Schmelz durch den Kopf. Er drehte sich wieder zum Gerichtstisch um, wartete auf eine Antwort des Verteidigers, die aber nicht kam. Wie sollte sie auch! Es gab ja auf solche Fragen nur eine einzige Antwort! Es waren Fragen, die alle hier im Saal, die alle in der SS fürchteten, wusste Schmelz, der ja schon in Posen entdeckt hatte, dass der noch so geringste SS Mann jede Gelegenheit nutze, einen Silberlöffel zu stehlen, Geldscheine nicht der Staatskasse zuzuführen, sichergestelltes Vermögen falsch zu
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