Letzte Haut - Roman
als Chef des Reichssicherheitshauptamtes, dem auch die Kriminalpolizei unterstellt ist, dafür, dass ich als Beamter in die Kripo Berlin aufgenommen wurde. So konnte ich nun ungehindert in alle Richtungen ermitteln, innerhalb und außerhalb der SS. Es gab de facto also keinerlei Fluchtmöglichkeiten mehr vor mir. Zumal der Gruppenführer Arthur Nebe als Chef der Kripo so gütig war, mir aus freien Stücken zwei seiner besten, doch, ja, lassen Sie es mich so ausdrücken, er schickte mir seine besten Beamten, um mich in der Ermittlungsarbeit zu unterstützen, kannte ich mich doch nicht so gut in der kriminaltechnischen Arbeit aus wie der Kriminalobersekretär Doktor Tarnat und der Kriminalsekretär Liebig, die wie auch Kriminalsekretär Holtschmidt hier als Zeugen anwesend sind und genauere Angaben zu den vielfältigen Ermittlungsverfahren machen können und werden.“
„Eine Frage“, unterbrach Verteidiger Piepenbrock: „Echte Beweise gegen den Händler Schulz fand man seinerzeit nicht, als Holtschmidt ermittelte, oder irre ich mich?“
„Nein, Sie irren sich nicht, obwohl das menschlich und zu verzeihen wäre“, sagte Schmelz, worauf der Erbprinz ein lautes, unterstützendes Lachen hören ließ, das Schmelz sofort stärkte: „Es gab Zeugenaussagen und Indizien, die sich allerdings zu einer Indizienkette verknüpfen lassen konnten.“
„Zeugenaussagen? Hören und Sagen? – Lieber Richter Schmelz, wir wissen doch alle, dass Zeugenaussagen zu den unzuverlässigsten Beweismitteln überhaupt gehören. Menschen können sich irren, wie Sie gerade selbst sagten, und das wäre zu verzeihen, wie Sie gerade meinten, dann jedoch nicht, wenn es um den Kopf eines Menschen geht! Wenn es um den Kopf eines unbescholtenen und verdienstvollen Mannes der Waffen SS geht“, sagte Piepenbrock.
„Heben Sie sich das für Ihr Plädoyer auf, Herr Kollege“, sagte der Ankläger, SS Chefrichter Breithaupt: „Verschießen Sie Ihr weniges Pulver doch nicht jetzt schon!“
„Wenn ich fortfahren darf?“, fragte Schmelz.
„Ich bitte darum“, sagte SS Chefrichter Ende.
„Daraufhin observierten wir also den Großhändler Schulz, um jene Beweise zu bekommen, die Sie so vehement verlangt haben, Herr Verteidiger, und gleichzeitig stießen wir im Zuge unserer Ermittlungen auf den Namen des damaligen Lagerkommandanten, Standartenführer Karl Koch, der eigenartigerweise kurz vor unserem Eintreffen und dem Aufnehmen der Untersuchungen nach Lublin ins eroberte Gebiet versetzt worden war, um dort ein neues Lager aufzubauen. Er war also dem Einfluss des Gerichtsherrn des Oberabschnittes neun entzogen, Obergruppenführer Waldeck Pymont, und ich hatte keine Handhabe gegen ihn, obwohl ich schnell den Eindruck gewann, dass im Lager Buchenwald Unterschlagung im ganz großen Stil begangen wurde. Eile war also geboten, damit die Verdächtigen und ihre Mitwisser nicht noch im letzten Augenblick alle Beweise vernichten und alle Zeugen töten konnten, wie es ja dann auch zum Teil leider schreckliche Realität wurde. – Und da spielte uns der Zufall in die Hände! Wir erfuhren durch eine unserer Quellen, dass Standartenführer Karl Koch in einer Julinacht nach Buchenwald kommen und mit seiner Frau reden wollte. Ich besorgte mir einen Haftbefehl beim Obergruppenführer, denn schließlich war weder eine Verdunklungsgefahr noch eine mögliche Landesflucht des Ehepaares Koch von der Hand zu weisen.“
„Wenn ich erneut unterbrechen darf“, sagte Verteidiger Piepenbrock: „Wie erfuhren Sie vom angeblich freiwilligen Eintreffen Karl Kochs in Buchenwald?“
„Durch ein Telefonat.“
„Mit wem?“
„Mit Obergruppenführer Kaltenbrunner“, log Schmelz frech, wusste er doch, je höher gestellter der Informant sei, desto niedriger die Gefahr einer Befragung.
„Ich frage nur deswegen, weil meine Mandanten Ilse und Karl Koch unabhängig voneinander angegeben haben, durch einen gefälschten Brief hereingelegt worden zu sein. Ein angeblicher Brief von Ilse Koch an ihren Mann, der dadurch angelockt worden war. Entspricht das der Wahrheit, Zeuge Schmelz? Ich erinnere, Sie stehen unter Eid!“
„Das entspricht nicht der Wahrheit. Ich denke, Ihre Mandanten würden noch ganz andere Dinge erfinden, nur um hier herauszukommen. Im Übrigen, haben Sie solch ein Brief gesehen? Was lässt Sie annehmen, dass es diesen Brief wirklich gibt?“
„Das Wort der beiden lässt mich das annehmen!“, sagte Piepenbrock und versenkte seinen Blick wieder in die Akten,
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