Letzte Haut - Roman
als wäre sie gar nicht anwesend. Schmelz wusste jedoch, wie sehr diese Beispiele ihres Handelns auf die anwesenden Männer wirkten, und er erhoffte sich viel von ihnen, konnte er doch nicht beweisen, dass diese Häftlinge auf ihr Drängen getötet worden waren. Sie waren getötet worden, allesamt auf der Flucht erschossen, aber alles andere waren Indizien, auch wenn Zeugen Kochs Frau belastet hatten.
„Auf die Kommentare eines zweimal Degradierten und vom Richteramt Enthobenen können wir doch wohl auch getrost verzichten“, versuchte Piepenbrock es erneut: „Getrost!“
„Unterlassen Sie es endlich, meinen Zeugen zu diskreditieren“, sagte Staatsanwalt Breithaupt: „Er ist voll und ganz rehabilitiert!“
„Schluss jetzt mit diesem Kindergarten! Mir reicht es“, sagte Ende: „Die Vergangenheit des Zeugen ist hier nicht Gegenstand der Untersuchungen, ich sage das noch einmal! Ein letztes Mal, Herr Verteidiger, das nächste Mal gibt es Konsequenzen!“
Doktor Kurt Schmelz sah zur Seite. Karl und Ilse Koch saßen weiterhin scheinbar unbeteiligt auf der Metallstange. Sie tauschten immer noch Zärtlichkeiten aus. Sie flüsterten aufgeregt miteinander, sie schien ihn beruhigen zu wollen, und Kurt Schmelz nahm das mit Wohlwollen auf. Er bereitete sich auf den nächsten Schlag vor, von dem er sich erhoffte, er werde Koch zerschmettern. Schmelz wusste ja, wie sehr Karl Koch seine Frau liebe, und dass sie eine Nymphomanin war, Schmelz glaubte, der Ehemann habe davon keinen Schimmer. Karl Koch sollte leiden, bevor er zum Tode verurteilt werde, er sollte die Leiden der Schmach und der Eifersucht kennenlernen. Achtzehn lange Monate hatte sich Schmelz diese Sache aufgespart. Für diesen Augenblick. In aller Öffentlichkeit.
„Und ferner“, sagte er und ließ Karl Koch nicht mehr aus den Augen: „Und ferner ist Ilse Koch eine Nymphomanin! In der Abwesenheit ihres Mannes hat sie mit jedem, ich wiederhole, mit jedem SS Mann von Buchenwald sexuellen Verkehr gehabt!“
„Nein!“, kreischte Ilse Koch auf, und Karl Koch sah zum ersten Mal hoch. Erstaunt. Ilse Koch flüsterte auf ihren Mann ein.
„Am Tage befahl Karl Koch den Männern, in der Nacht stiegen diese Männer zu seiner Ehefrau ins Bett“, sagte Schmelz und ließ diese Worte wirken: „Sie übte den Ehebruch hundertfach aus!“
Und nach einer Weile setzte Schmelz nach: „Es war aber gar nicht so, dass Ilse Koch mit diesem schändlichen Verhalten erst nach dem Weggang ihres Ehemannes nach Lublin begann. Sie ließ sich auch davor schon von unzähligen Männern der Wachmannschaft nehmen. Ein langjähriges Verhältnis hatte sie zum Beispiel mit dem damaligen Stellvertreter und Adjutanten ihres Mannes, mit Hauptsturmführer Hackmann!“
„Na und?“, warf Hackmann ein, bevor ihn ein Blick von Koch traf, der ihn zum Stottern brachte: „Ich meine, Quatsch, Blödsinn, ich meine, was soll das? Quatsch mit Soße!“
„Aber, aber, Angeklagter Hackmann, glauben Sie, Sie haben der Dame genügt? Sie waren doch nur Ersatz! Sie mussten immer dann einspringen, wenn der andere Mann mal nicht konnte, mit dem sie ein noch längeres Verhältnis hatte!“, sagte Schmelz und schwieg.
„Wer?“, flüsterte Koch, ehe er aufsprang, sich den Kopf stieß und schrie: „Wer?“
„Bekannt als der schöne Waldemar! Der Chefarzt von Buchenwald, Doktor Hoven!“, sagte Schmelz mit aller Häme, die ihm zur Verfügung stand, ehe er auf die inzwischen verstummte Ilse Koch zeigte und schrie: „Diese Person ist eine sadistische Nymphomanin! Sie ist mehr Tier als Mensch! Die Männer sind alle bereit, auszusagen!“
„Lüge!“, schrie Hoven nun seinerseits los: „Dreckige Verleumdung! Unsere Beziehung war nie mehr als freundschaftlich. Kameradschaftlich! Ich bin verheiratet! Ich habe Kinder! Ich bin SS Mann! Ich bin Parteimitglied! Ich habe viele Auszeichnungen!“
„Die Partei duldet keine Ehebrecher in ihren Reihen“, konterte Schmelz: „Auch die SS nicht. Sie werden ausgestoßen werden! Sie sind unehrenhaft, und Sie sind ein Schwein!“, brüllte Schmelz los, als wäre er wieder an der Ostfront.
Ilse Koch wandte sich mit hochrotem Kopf ihrem Mann zu und sagte: „Glaub das nicht! Karli! Der will uns nur fertig machen, glaube das nicht! Karli!“
Doch Karl Koch stand unter Schock und war in sich zusammengesunken, Schmelz lächelte. Koch sah nur noch auf den Boden und musste in der weiteren Verhandlung ständig ermahnt werden, lauter zu sprechen. Er sprach jedoch nicht
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