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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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und hatte mit Gold bemalte Verzierungen, wie Schmelz flüchtig festgestellt hatte, ehe er sich gefragt hatte, aus welchem Jahrhundert dieses Mobiliar wohl stamme und aus welcher Region es sei. Frankreich?
    Das Arbeitszimmer hatte einen großen Wintergarten mit Blick auf den nahen Buchenwald, der vor fettem Grün nur so strotzte, wie Schmelz meinte. Linker Hand sah er den Abstieg in den Steinbruch, wohin einige Hunderte von Häftlingen jeden Morgen vor Tagesanbruch hingeführt und wovon sie weit nach Einbruch der Dunkelheit wieder weggeführt wurden. Sobald Schmelz eines der Fenster des Wintergartens zur Seite hin öffnete, hörte er die Schreie der Wachmannschaft und manchmal auch die der Häftlinge.
    Eine Fehlplanung sei das, hatte Pister ihm mit Bedauern gesagt, man habe unterschätzt wie stark das Echo sei, das aus dem Steinbruch nach oben dringe. Nun sei es nicht mehr zu ändern, auch könne die Arbeit im Bruch nicht eingestellt werden, weil das Lager in nächster Zeit vergrößert werden müsse. Auch werde Einiges an Stein woandershin geliefert. Daher habe man die Dienstwohnungen mit Wintergärten nachgerüstet und die Hauptbalkone abgerissen.
    Hauptsache, er könne arbeiten, hatte Schmelz erwidert, und er habe Platz für seine Akten.
    Und ja, den hatte er. Schmelz nickte leicht vor sich hin. Den hatte er! Das Arbeitszimmer war vierzig Quadratmeter groß. Die Tür war in ein Bücherregal eingebaut worden, das sich über die ganze Wand erstreckte, und auch die Wand rechts von ihr war mit solch einem Regal verkleidet worden. Eichenholz. Die senkrechten Streben waren mit Schnitzereien verziert, Ornamente aus der antiken Mythologie, hatte Schmelz schnell erkannt und sich gefragt, wo diese Regale einmal gestanden haben mochten. Er fand einige Abenteuer des Herakles, auch die Fahrten des Odysseus entdeckte er, Argonauten und Sparta, alles war da. Schmelz hatte sogar die drei großen Kriege von Karthago als Relief ganz oben rechts, links und in der Mitte erkannt, und das hatte ihn dann doch überrascht. Schließlich war ja Karthago untergegangen, von Rom besiegt, in Kriegen, die zusammengenommen fast ein Jahrhundert gedauert hatten, und nun befanden sich diese Darstellungen in diesem Arbeitszimmer genau gegenüber des Porträts des Anführers der Deutschen, der sich die Schnitzereien nun in aller Ruhe betrachten könne. Schmelz hatte gegrinst, als er dieses Verhältnis bemerkte, und sich damals zum ersten Mal gefragt, wem die Wohnung wohl zuvor gehört habe.
    Der Schreibtisch befand sich links von der Tür und rechts vom Wintergarten. Seine Fläche war drei Meter lang und anderthalb Meter breit. Er verfügte über Unmengen von Fächern und stand auf runden Füßen, die mit brüllenden Löwen verziert waren. Von vorne zeigte der Tisch eine später angebrachte Tafel, auf der sich ein Hakenkreuz vor wehenden Fahnen befand, die von einem Rudel Wölfe umrahmt wurden. Auch hier fehlte das Porträt des Anführers nicht. Schmelz fand es sogar gleich zweimal in die Tafel geschnitzt, und zu gerne hätte er gewusst, was sich hinter ihr verbarg.
    Woher dieser Schreibtisch wohl nun wieder stammte? Schmelz hatte keine Ahnung. Von wem der wohl hergeschafft worden war? Ob die ganze Einrichtung auf Kochs Aktivitäten zurückgeführt werden konnte? Dann war er umgeben von der Unterschlagung, die er beweisen sollte! Denn diese Sachen waren so edel, die kamen doch garantiert aus einem Museum. Die gehörten dem Reich und nicht einem der Offiziere hier. Auch hier hätte er anfangen können, hatte er sich überlegt, in diesem Zimmer, hatte es dann aber doch sein lassen, weil er gemeint hatte, dieser Anfang sei zu klein gedacht. Er müsse etwas Großes gegen Koch in die Hand bekommen. Es müsse groß sein, sonst werde es nicht reichen.
    Die ganze Wohnung war mit dicken und bunten Orientteppichen ausgestattet, und auch das Mobiliar, das sich im Wohnzimmer befand, war gediegen und kostbar. Schmelz hielt sich nicht gern in diesem Zimmer auf, das sich zwischen Arbeits- und Schlafzimmer befand, und so war auch nicht eine der Karaffen oder Kristallgläser verrückt, die sich hinter dem Glas der alten Schränke befanden. Er hatte noch nicht einmal die Schubladen aufgezogen oder die Tischdecken verrückt. Kaum, dass er einmal auf dem mit Samt bezogenen Polster der Sofas und Sessel oder auf dem der Chaiselongue gesessen hatte.
    Lediglich die Goebbelsschnauze hatte er hin und wieder angeschaltet, um Musik und die Nachrichten ins Arbeitszimmer schallen

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