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Letzte Haut - Roman

Letzte Haut - Roman

Titel: Letzte Haut - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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des Stahlhelms nach, verloren sie doch ständig an Gewicht und Umfang, und prüften die beiden Mauserpistolen.
    Der Befehl gab ihnen keine Zeit mehr, Abschiedsbriefe zu verfassen, wer jetzt keinen hatte, der wollte auch keinen. Wer jetzt keinen habe, meinte Sturmmann Schmelz, der wolle schweigen. Auch er wollte nun lediglich noch die Hände sprechen lassen, und nach einer kurzen Zigarettenpause verschmolz er mit den Söldnern seiner Einheit zu einem stürmenden und schreienden Haufen, der ab und an Deckung nahm, jedoch nur für Sekunden, um mit den anderen Haufen weiter voranzustürmen, die sich alle wie auf ein Zeichen hin der Stadt näherten. Ab und an stach noch der Kopf des langen Sturmmanns Schmelz heraus, doch dann sei er nicht mehr auszumachen gewesen, meinte mein Großvater später selbst, und es sei zur Feindberührung gekommen, die alles andere als zärtlich verlaufen sei.
    Die angegriffenen Sowjets waren überrascht von der Wucht der Anrennenden. Sie wichen zurück, wurden verfolgt und kamen erst in der Nähe des Rathauses dazu, sich gegen die Übermacht zu organisieren.
    Die Sowjets kämpften sich Meter um Meter frei, stiegen über die Schwerstverletzten, trieben die Angreifer in der Dämmerung zurück, doch dann kamen die Wikinger an, die mit den Booten gekommen waren, und die plötzlich in die Zange genommenen Sowjets kamen zum Stillstand, und ein versprengter Trupp sammelte sich auf dem Alten Friedhof, wo die Sowjets hektisch die Grabsteine zu Schildern auftürmten und feuerten, sobald sich ein Helm hinter der flachen Friedhofsmauer zeigte.
    „Das kann dauern!“, fluchte Rottenführer Grass, der seine Einheit in einem Café in Sicherheit gebracht hatte: „Durchzählen!“
    Seine Männer zählten und kamen bis zur Dreizehn.
    „Verdammt, ich hasse die Dreizehn!“, fluchte er, die Augen waren weit aufgerissen, er keuchte und lud das Gewehr nach: „Ich hasse die Dreizehn! – Schmelz, Abflug, guck nach, ob die hinter der Theke was zu fressen hier gelassen haben. Wenn ja, Beschlagnahme! – Funker! Standort durchgeben, los, los!“
    Sturmmann Schmelz bewegte sich im Entengang zur Theke, die sich in der Tiefe des Raums befand, während seine Kameraden die vielen Schaufenster sicherten. Der glatte und notdürftig verbundene Beindurchschuss in Höhe des Oberschenkels verursachte ihm beim Kriechen enorme Schmerzen, so dass er es nicht unterdrücken konnte, halblaut auf den verdammten Rottenführer zu fluchen, der unbedingt was zu fressen haben wollte. Als hätten sie nichts Wichtigeres zu tun!
    „Kurt, bleibe locker!“, rief Rottenführer Grass, woraufhin Sturmmann Schmelz verstummte. Er fand drei Laib Brot und steinharten Streuselkuchen. Und eine Kanne mit lauwarmem Wasser!
    „Scheiße!“, schrie er, während er weiter die Kanne hielt: „Hier sind welche!“
    Rottenführer Grass reagierte sofort und befahl einem Usbeken und einem Belgier, die oberen Stockwerke zu durchsuchen: „Keine Gefangenen! Wir habe dafür keine Zeit!“
    „Befehl vom Stab“, meldete der Funker: „Wir und das Kommando unter Rottenführer Fallala sollen von zwei Seiten aus die auf dem Friedhof fertigmachen. Der Rest schnappt sich den Hauptteil, der sich am Hafen verschanzt hat. Die da sind nur ein versprengter Haufen!“
    „Ein was?“, fragte Rottenführer Grass nach und starrte den Funker entgeistert an.
    „Einen Rest vom Schützenfest, meinte ich, Rottenführer!“
    „Sag das doch gleich, Mann! – Also los, Schmelz übersetzen! Schmelz! Was ist Kurt?“
    Sturmmann Schmelz kaute wie ein Verrückter, aber der verdammte Kuchen von vorgestern wurde immer mehr in seinem Mund. Schließlich spuckte er sich den Teig auf die Hände und sagte: „Jawohl, sofort!“
    „Schmelz, du Sau, du bist am Fressen und lässt mich hier krepieren, du Kameradenschwein! Herbringen, man!“
    Sturmmann Schmelz stopfte sich den gesamten Kuchen wieder in den Mund und brachte die Brotlaibe zu seinem Vorgesetzten, der sie aufteilte und die Stücke seinen Leuten zuwarf, wobei er sich fühlte, als füttere er in einem Raubtierkäfig.
    Die Männer sprangen den Brotteile fast entgegen, wussten sie doch nicht, wann sie das nächste Mal wieder etwas zu essen bekamen. Sie verschlangen das trockene Weißbrot.
    „Meldung“, sagte der Funker: „Rottenführer Fallala ist bereit.“
    „Na, wir schon lange! Sag ihm, in sechzig Sekunden. Wir feuern die Leuchtmunition in den Friedhof, dann geht’s ab hier! Sag ihm, er soll keine Scheiße bauen!“
    Die

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