Letzte Haut - Roman
letzten Handgranaten wurden in die Nacht geworfen, Leuchtgeschosse fielen aufs Friedhofsgelände, die Sowjets ballerten blind, warteten und feuerten erneut, doch die Wikinger waren schon an der Außenseite der Friedhofsmauer. Sie kamen von zwei Seiten, nutzten den Schutz der Nacht, indem sie sich flach über die Mauer rollten und durchs Gebüsch robbten, wo sie erst einmal abwarteten.
Leningrad war eingeschlossen, die Wehrmacht stand vor der Krim, Orel war in deutscher Hand, der Marsch auf Moskau lief an, und tausende Hände schlachteten in der Nacht des achten Oktobers einundvierzig auch in Berdiansk. Hunderte von Männern gerieten in einen Blutrausch, auf dem Friedhof aber tat sich lange nichts. Das Lauern zerrte an den Nerven, das Pirschen wurde zur Mutprobe. Die Wikinger kamen unaufhaltsam näher. Sie bildeten einen Kreis, der sich um die Sowjets zusammenzog, die blind auf Geräusche aller Art schossen.
Plötzlich war eine russische Stimme zu hören, die vom Trupp des Rottenführers Fallala kommen musste. Rottenführer Grass schüttelte den Kopf. Was für ein Idiot! Die ergaben sich doch niemals kampflos! So etwas kannten Russen doch gar nicht! Vergeudete Liebesmühe war das! Dieser Fallala, immer das gleiche! Als hätte der nicht auch seinen Spaß am Schlachten, Rottenführer Grass hob die Hand, wartete nicht auf die Antwort der Sowjets, fegte mit der Hand nach unten und schrie: „Attacke! – Attacke!“
Er sprang auf und stürmte mit seinen Männern auf den Feind los, welcher sofort zu ballern begann. Sekunden später hörte er auch den Befehl des Rottenführers Fallala. Wilde Schreie, die plötzlich die Nacht erfüllten und auf die Sowjets niederprasselten, die nicht mehr zum Nachladen kamen.
Im Nahkampf waren die Sowjets im Nachteil, verfügten sie doch nicht über Klappsparten wie die Wikinger. Die kurzen Bajonette und die Messer, mit denen sie sich verteidigten, blieben gegen die zweischneidigen, geschliffenen Spaten der SS Männer und Söldner fast wirkungslos. Während die Sowjets zustechen, herausziehen und dann erst wieder zustechen konnten, schlitzten die Wehrmachtssoldaten die Gegner links und rechts ununterbrochen auf, wobei das Ziehen des Spaten aus der Wunde gleichzeitig als Zufügen einer nächsten Wunde an einem anderen Körper Verwendung fand, so dass die Wehrmachtssoldaten fast doppelt so schnell wie die Soldaten der Roten Armee töteten. Das zum Mordinstrument umfunktionierte Friedenssymbol, das sogar noch als Schild gegen die Messer verwendet werden konnte, brachte schließlich den Sieg.
Sturmmann Schmelz sank auf die Knie, übergab sich, bis nur noch grellgrüner Schleim aus ihm herauskam. Er zitterte am ganzen Körper und richtete seine Aufmerksamkeit auf die rechte Hand, die er nicht mehr aufbekam. Sie hatte sich um den Spatenstiel verkrampft. Sturmmann Schmelz musste sich mit einem Knie auf das Spatenblatt stellen und die Hand schreiend wegziehen. Er hörte auch andere Männer Schreie ausstoßen. Sein Mageninneres verlief sich auf der Uniform eines sowjetischen Soldaten, der nun tot war. Sturmmann Schmelz schloss die Augen, riss sie auf und starrte den Toten an. Zum ersten Mal blickte er einem Gegner ins Gesicht, den er selbst erledigt hatte. Er starrte ihn aus nächster Nähe an. Knochige Wangen, erster Flaum auf der Oberlippe, dunkelblondes Haar, blaue Pupillen, die nun gebrochen waren. Sturmmann Schmelz stieß einen tiefen Seufzer aus, Tränen fielen auf das Gesicht des Jungen und vereinigten sich mit dem Erbrochenen. Sturmmann Schmelz beugte sich herab und küsste die kalte Stirn.
Um ihn herum suchten die Kameraden die gegnerischen Leichen und Verwundeten nach eingewickeltem Speck, Brot und Wodka ab, und viele scheuten die Mühe, den Verwundeten einen schnellen Tod zu schenken. Sie zerrten an ihnen, als hörten sie das Flehen nicht.
Sturmmann Schmelz stützte sich auf den Spaten und stand auf. Der Krampf in der rechten Hand ließ nach, langsam bewegte Sturmmann Schmelz die Finger und überlegte, ob er sich noch einmal bücken und dem Toten die Augen schließen solle, als er eine Stimme neben sich rufen hörte: „Verwundeter, hierher!“
Sturmmann Schmelz drehte sich um, sah den Kameraden ungläubig an, war doch kein Verwundeter in seiner Nähe, und verzog fragend die Augenbrauen.
„Bleib ruhig, Richter, gleich ist der Sani da!“
„Verstehe ich nicht.“
„Hast noch einmal Glück gehabt, was?“, sagte der Mann und deutete auf einen der Füße des Sturmmann
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