Letzte Haut - Roman
Schmelz.
„Ach du Scheiße! Hab ich gar nicht bemerkt!“, brachte er heraus, worauf der Kamerad meinte, er kenne das, man merke vieles erst später, er nenne es den Warnschuss abkriegen, weil es stets so sei, dass man immer wieder an der gleichen Stelle verwundet werde. Sturmmann Schmelz solle also auf seinen linken Fuß höllisch aufpassen, wenn er ihm lieb sei.
Sturmmann Schmelz nickte, stützte sich auf den Sanitäter und ließ sich zum Krankenauto bringen.
„Ich bin ein Mörder! Ein verdammter Serienmörder!“, flüsterte Sturmmann Schmelz: „Ich will Mörder verurteilen und bin nun selbst einer. Wie ein Irrer habe ich heute getötet. Mindestens fünfzehn Leute. Und morgen? Wer stoppt mich? – Einer war fast noch ein Kind, der hatte Flaum auf der Oberlippe, Flaum!“
„Schnauze halten, Sturmmann Schmelz“, brüllte der Sanitäter plötzlich los: „Ich will diese Scheiße nicht immer hören, Schnauze halten! Was man nicht ausspricht, das ist auch nicht geschehen! Kapiert, du Weichei? – Achtung, das tut jetzt weh!“
„Ein anderer schrie auf Deutsch: Sechs Kind, sechs Kind!“, flüsterte Sturmmann Schmelz, bevor er losschrie und auf den Stiefel sah, aus dem der Sanitäter ein Messer gezogen hatte.
Ihm wurde der Stiefel aufgeschnitten, und fast wäre Sturmmann Schmelz in Ohnmacht gefallen, als er das viele Blut sah, das sein eigenes war. Und was lag da in der Lache herum? Zehen? Waren das zwei Zehen? Sturmmann Schmelz sah hinauf in die Schwärze der Nacht, fand das Sternbild des Großen Wagens und flüsterte: „Sechs Kind, sechs Kind!“
„Maul halten, sonst Beule am Kopf, Beule größer als Kopf!“, drohte der Sanitäter dem Sturmmann Schmelz und ohrfeigte ihn ein paar Mal, während die Operation Taifun, die die Überschwemmung der sowjetischen Hauptstadt zum Ziel hatte, voranschritt. Eine Woche später zeichnete sich in der Doppelschlacht von Brjansk und Wjasma ein erster Erfolg dieser Operation ab, der oberste Anführer der Deutschen frohlockte schon, der Gegner sei gebrochen und werde sich nicht mehr erheben, der Feldzug sei mit der Zertrümmerung der Heeresgruppe Timoschenko entschieden, bei der sechshundertdreiundsiebzigtausend Gefangene gemacht wurden, die alle schäbig erschossen wurden, doch da organisierte Stalin die Rote Armee neu, holte Offiziere aus den sibirischen Lagern und zog Truppen von der iranischen und der türkischen Grenze ab. Die Rote Armee erhielt endlich die angloamerikanischen Rüstungslieferungen und konnte sich der Wehrmacht zwar entgegenstellen, doch am stärksten wurden die Deutschen von Partisanentätigkeiten aufgerieben, die aus Zorn heraus entstanden waren. Aus dem Zorn über den grausamen Umgang der SS und der Wehrmacht mit den besiegten Einheimischen und den gefangenen Soldaten. Schließlich brachte die Schlechtwetterperiode die deutsche Moskauoffensive am fünfundzwanzigsten Oktober einundvierzig völlig zum Erliegen. Die Wehrmacht war im Osten auf fremdem Boden eingekreist: Im Rücken die Partisanen, vor sich die Rote Armee, über sich Regen und Schlamm und am Horizont Moskau, das nahe, das allzu ferne Moskau.
Schon zwei Tage später wurde der Division Wiking befohlen, der Roten Armee zu folgen und sich den Abwehrkämpfen am Donez zu stellen, während sich der Großteil der hier stationierten Wehrmacht der Krim zuwandte, um diese Insel, zwischen Schwarzem und Asowschem Meer gelegen, zu nehmen, startete die Luftwaffe der Roten Armee doch von hier aus ihre Vernichtungsflüge gegen die für die Wehrmacht so wichtigen Ölfelder in Rumänien.
Über ein Jahr sollte es dauern, ehe die Wehrmacht die Krim erobern konnte, scheiterte sie doch Mal um Mal an der für unbesiegbar gehaltenen Seefestung von Sewastopol, weil sie von starken Forts umringt war, die über die unwegsamen Höhen des Kalksandsteingebirges verliefen und zäh von ausgesuchten Elitetruppen der sowjetischen Schwarzmeerarmee verteidigt wurden, die in einfachen Schützengräben lagen, aber sich auch in leichten und schweren Batterieständen, in Panzergeschütztürmen und in Kampfanlagen mit Panzerkuppen befanden, die die schwerbewaffneten Forts Maxim Gorki, Stalin, Molotow, GPU und Lenin unterstützten. Kilometerweit war das Gelände durch Zehntausende von Minen verseucht, und so hätten es die Wehrmachtstruppen fast nicht geschafft. Doch gab es keinen Grund zur Freude, als Sewastopol fiel, gestaltete sich doch auch die Einnahme der Halbinsel Kertsch an der Ostseite der Insel als schwierig, und auch
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