Letzte Instanz
sprach mit einem der uniformierten Beamten und verschwand wieder. Der
Wagen der Spurensicherung traf ein und danach der Polizeiarzt. Nach einer Weile
fuhren sie mit der Leiche in einem Sack davon.
So geht das also, dachte ich. Du lebst,
und dann stecken sie dich in einen Sack mit Reißverschluß wie den Müll von
gestern.
Wallace kapi zurück. »Adah möchte, daß
Sie in das Apartment kommen.«
Ich stieß mich vom Streifenwagen ab.
»Kommen Sie nach?«
»Hm. Ich will mir die Nachbarn
persönlich vorknöpfen.«
Ich ging hinauf in Melissas Apartment.
Die Spurensicherung hatte bereits die
Fingerabdrücke sichtbar gemacht. Adah Joslyn saß im Sessel und ging das
Adreßbuch durch. Sie hatte Pullover und Hose an — also hatte sie dienstfrei
gehabt und war daheim gewesen, als ich angerufen hatte. Anders als ihr Kollege,
der war ein Workaholic. Sie hielt das Adreßbuch hoch und sagte: »Reichlich
dünne Ausbeute. Sie hatte verschiedene Ärzte, einen Zahnarzt und einen
Chiropraktiker. Einen Tierarzt für die Katze« — sie zeigte zum Schrank, unter
dem das Tier noch immer hockte — »und ein Paar namens Mary und Rod in Cedar
Rapids, Iowa.«
Ich setzte mich auf das Sofa.
»Vielleicht sind das Verwandte, und wenn ja, wohl ihre nächsten. Ich habe ein
paar recht interessante Dinge über ihren Stiefbruder erfahren.« Ich berichtete
ihr, was ich vom Leben und Tod Roger Woods wußte.
Adah sah nachdenklich aus. »Ich werde
in Seattle wegen des Mordes an ihm nachfragen.«
»Haben Sie eine Waffe entdeckt?«
»Nein. Nach der Wunde muß es eine
dünne, scharfe Klinge gewesen sein. Was wissen Sie sonst noch?«
Ich erzählte ihr jede Einzelheit. Zum
Schluß sagte sie: »Es klingt, als glaubten Sie nicht, daß dieser Chavez Melissa
getötet hat.«
»Ich halte den Burschen eher für einen
Straßenjungen als für einen bezahlten Killer. Ich glaube, der Mörder war
jemand, den Melissa erwartet hat. Möglicherweise jemand, aus dem sie etwas
herauszuholen hoffte.
»Die Wingfield? Melissa hatte mit ihrem
vorausgegangenen Erpressungsversuch keinen Erfolg gehabt.«
»Vielleicht hat sie es noch einmal
probiert. Und dann ist da der Mann, den sie im Haven getroffen hat. Wie wäre es
folgendermaßen: Der Mörder hat sie angerufen und so getan, als wolle er
auf ihre Forderungen eingehen, um einen Grund zu haben, hierherzukommen? «
»Könnte sein.«
»Bleiben wir noch einen Augenblick bei
Melissas Versuch, Louise Wingfield zu erpressen«, sagte ich. »Es hat nicht
geklappt, und einer der Gründe dafür ist, daß sie keine Beweise hatte. Aber bei
einem anderen, wo sie einen Beweis hatte...«
»Hätte der Mörder dann nicht danach
gesucht? Nichts deutet hier darauf hin.«
»Es sei denn, der Beweis hätte nur eine
Bedeutung, wenn Melissa lebte und ihn erklären konnte.« Ich zeigte auf die Vitrine.
»Ich weiß nicht, ob Sie es bemerkt haben, aber die Sammlung ist sehr
kostspielig für jemanden, der nur über ein geringes Einkommen verfügt. Diese
Erpressungen könnten schon eine längere Geschichte haben.«
»Warum ist sie dann aber jetzt getötet
worden?«
»Vielleicht waren ihre früheren
Forderungen bescheiden, doch dann sah sie die Gelegenheit kommen, ihrem Opfer
schwerer zuzusetzen, und erhöhte den Einsatz. Lis Benedicts Entlassung, das
bevorstehende Tribunal — oder etwas, was wir noch nicht wissen, könnte dazu
geführt haben.«
»Aber Sie sagen, Melissa hätte Angst
gehabt. Wollte nicht über den McKittridge-Mord reden. Was hat sie Ihnen noch
gesagt? Daß sie keine Selbstmörderin sei?«
Ich dachte einen Augenblick nach. »In
Ordnung — wie wäre es so: Sie versucht, den Einsatz zu erhöhen, und die Person
— der Mann im Haven, Louise Wingfield oder sonstwer — drohte ihr. Also schreckt
sie zurück. Aber dann... Sehen Sie sich meine Visitenkarte an, die sie unter
den Lampenfuß geschoben hatte. Sie ist richtig abgegriffen. Vielleicht hatte
sie vor, mich anzurufen und mir zu sagen, was sie über die McKittridge wußte.
Als Gegenleistung wollte sie Schutz. Der oder die Betreffende bekam das heraus
und tötete sie.«
Adah nickte. »Das macht ebenso Sinn wie
alles andere. Und wenn sie so etwas wie einen Beweis in der Hand hatte, ist er
womöglich noch in dieser Wohnung. Machen wir uns mal auf die Suche.«
Wir durchsuchten die beiden Zimmer,
sahen uns an den üblichen und weniger üblichen Stellen um, wo Menschen ihre
Sachen verstecken. Daß es keine persönlichen Dinge gab, stimmte mich traurig.
Wir fanden keine Fotos,
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