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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Arcade innen schäbiger als sonst, als ich dort einige Minuten nach
elf eintrat. Abgestandener Zigarettenrauch stieg mir ätzend in die Nase, und
der Geruch von Lysol war nicht stark genug, meinen Würgereiz zu unterdrücken.
Die jungen Männer, die sich überall über die Spielgeräte beugten, mochten
dieselben wie am Freitag sein. Sie nahmen die Trostlosigkeit ihrer Umgebung nicht
wahr. Ihre Blicke hingen starr an den flimmernden Bildschirmen. Sie reagierten
auf die Bilder, die vor ihnen auftauchten, wie verwirrte Ratten in einem
schmutzigen Laborkäfig. Für die meisten von ihnen war die Bedienung solch
elektronischer Maschinen vielleicht die einzige Kunst, die sie je lernten, und
der Sieg über diese nicht-menschlichen Gegner der einzige Triumph, der ihnen je
vergönnt war.
    Leider war Tony Nueva nicht unter
ihnen. Ich fand den Manager der Arcade, einen einarmigen Vietnam-Veteranen
namens Buck, und fragte ihn, ob er schon dagewesen sei. Buck hatte ihn noch
nicht gesehen. Tony habe eine »richtig heiße Lady« und ziehe vor, es am
Sonntagmorgen etwas langsamer gehen zu lassen, wenn ich wisse, was er meine.
    Ich wußte, was er meinte, und der
Gedanke an einen Tony, der faul unter der Bettdecke lag, während ich noch auf
seine Information wartete, hob nicht gerade meine Stimmung. Aber als ich wieder
vor die Tür trat, sah ich meinen Informanten aus einem grell lackierten,
tiefliegenden Wagen auf den Bürgersteig klettern. Die junge Lateinamerikanerin
am Steuer trug eine ungepflegte Boa um ihren Hals, und ich dachte mitleidig an
den Fuchs, dessen Fell sie einmal gewesen war.
    Als Tony mich entdeckte, runzelte er
die Stirn und setzte ein nonchalantes Grinsen auf. »Alsdann, McCone«, sagte er,
»was gibt’s?«
    Eine gar zu herzliche Begrüßung. Ich
sah ihn nachdenklich an. Heute hatte er ein neu aussehendes, flauschiges
Velourshemd an und an seinem schmalen Handgelenk eine silberne Uhr mit
türkisbesetztem Armband. Die Uhr hatte ich noch nie an ihm gesehen. Am Freitag
hatte er sie nicht getragen. Und sicher hatte er sie nicht für meine zehn
Dollar erworben.
    Er sah, wie ich die Uhr musterte, und
sein Grinsen verschwand. Schnell zog er die Manschette herunter, um sie zu
verbergen.
    »Wieso habe ich noch nichts von dir
gehört?« wollte ich wissen.
    »Mein Gott, McCone! So ein schöner
Morgen. Gerade komme ich aus dem Bett, und schon gehen Sie so auf mich los?«
    »Ich möchte meine Information oder die
zehn Dollar zurück.«
    »Geben Sie mir noch etwas Zeit.«
    »Die hast du gehabt.«
    »Ich habe Ihnen gesagt, daß es schwer
werden könnte, Verbindung zu...«
    »Wer hat dich dafür bezahlt, Tony?«
    Es war nur eine Idee, aber sie paßte.
Sein Mund zuckte, und sein Blick wich mir aus, ging nach rechts und links, als
suche er einen Fluchtweg. »Ich weiß nicht, wovon Sie verdammt noch mal reden.«
    Seine Manschette war hochgerutscht und
gab die Uhr wieder frei. »Irgendwer muß dir ein nettes Sümmchen gezahlt haben«,
sagte ich und zeigte darauf.
    Er zerrte an der Manschette. »Ich
verdiene eben gutes Geld.«
    »Indem du an den Meistbietenden
verkaufst.«
    »Meine Güte, McCone!« Er zog seine
Brieftasche, holte einen Zehner heraus und warf ihn mir zu. »Hier — Sie wollen
Ihr Geld, also kriegen Sie es.«
    Das bestärkte nur meinen Verdacht. Tony
hatte bisher noch nie freiwillig wieder etwas herausgerückt, nicht einmal eine
so kleine Summe wie zehn Dollar. Ich nahm den Schein und sagte: »Du weißt, daß
du einen recht passablen Ruf bei den Leuten genießt, die du belieferst. Auf
diese Weise könntest du den rasch ramponieren.«
    »Ist das eine Drohung?«
    »Nennen wir es eine freundliche
Warnung.«
    »Sie wissen, was Sie mich mit Ihrer
Warnung können, McCone.« Er schoß an mir vorbei und knallte die Tür zur Arcade
hinter sich zu.
     
    Ich hatte einige Besorgungen in der
Gegend zu machen, und so war es schon zehn vor eins, ehe ich bei All Souls
ankam. Das viktorianische Haus hielt einen kleinen Sonntagnachmittagsschlaf.
Fliegen summten im Erker, und der Aufenthaltsraum war warm und stickig. Ich
ging direkt zu Jacks Wohn- und Arbeitsbereich im hinteren Trakt des ersten
Stocks. Die Tür stand offen, und Papiere lagen verstreut auf seinem
Arbeitstisch. Aber er war nicht da.
    So bereitet man sich also auf den
bevorstehenden Prozeß vor, dachte ich. Noch vor ein paar Monaten hätte ich
vermutet, das gute Wetter habe ihn in die Berge zum Klettern gelockt, aber seit
er Judy kannte, hatte er den gefährlichen Sport fast

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