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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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genauso viel hinuntergegossen, schien aber immer
noch halb zu schlafen.
    »Verdammt!« Ich schlug mit der Faust
auf die Lehne des Sofas, tat mir dabei aber nur selber weh. »Sie schien das,
was sie tat, nicht einmal für schlimm zu halten.«
    »Nun reg dich nicht auf«, sagte er
abwesend.
    »Wieso nicht? Ich hätte meinem ersten
Instinkt folgen und die Pfoten von der Sache lassen sollen. Wie, um Himmels
willen, kannst du diese... Farce noch rechtfertigen?«
    Jack stand auf und goß sich aus der
Kaffeemaschine auf einem Beistelltisch eine neue Tasse ein. »Zufällig glaube
ich an ihre Unschuld. Aber ich fühle mich nicht berufen, ihren Charakter zu
beurteilen, wie du anscheinend.«
    »Und außerdem liebst du zufällig ihre
Tochter.«
    »Stimmt.«
    »Wann findet diese Scheinverhandlung
statt?«
    »Der Termin steht noch nicht fest. Das
Historische Tribunal nimmt den Fall sehr ernst, da die Verurteilte noch am
Leben ist. Man bemüht sich, eine Jury aus bedeutenden Leuten
zusammenzubekommen.« Jack zog ein saures Gesicht. Ich wußte, er teilte nicht
die Publicitygier des Organisators des Tribunals, eines pensionierten Anwalts
namens James Wald.
    »Soll wohl ein Medienzirkus werden,
oder?«
    »Nicht, wenn Rudy Valle etwas dabei zu
sagen hat.« John ›Rudy‹ Valle war der Oberste Richter und Vorsitzende der
Verhandlungen vor dem Tribunal. »Valle ist ein brillanter Jurist und ein
Amateurhistoriker. Er nimmt das Ganze sehr ernst.«
    »Und die Geschworenen — woher kommen
die?«
    »Das sind Freiwillige, die man aus
einer festen Liste auswählt. Die meisten sind Juristen, Historiker,
Journalisten oder Kriminalschriftsteller. Der Prozeß wird nahezu genauso
geführt wie ein richtiger, nur daß auch die Zeugen Freiwillige sind — die
meisten haben schauspielerische Erfahrung —, und sie sind vorher über den
Inhalt ihrer Aussage informiert worden.«
    »Sie werden also über die Ergebnisse
meiner Recherchen unterrichtet und spielen dann ihre Rollen, die der echten
Prozeßteilnehmer von damals?«
    »Im wesentlichen, ja.«
    »Was ist, wenn echte Zeugen sich selbst
spielen möchten? Wird das gestattet?«
    »Du denkst an Judy und Lis. Wir haben
darüber gesprochen, aber ich weiß nicht, ob das eine gute Idee wäre. Das
Tribunal, vor allem James Wald, würde das natürlich sehr gern sehen.«
    Ich versuchte mir den Verlauf
vorzustellen. Ich hatte schon oft sowohl in Zivil- als auch in Strafprozessen
aussagen müssen. Selbst wenn ich das, was im Gerichtssaal ablief, auch mal
locker gesehen hatte, war ich mir doch der Ernsthaftigkeit dessen, was da
geschah, durchaus bewußt. Aber in einem Scheinprozeß — steckte allein in dem
Wort »Schein« nicht schon ein gewisser Mangel an Ernsthaftigkeit?
    »Es hört sich wie eine Mischung aus
Theater und Prozeß an«, sagte ich. »Nur werden sie in diesem Fall in Judys und
Lis’ Leben herumstochern...«
    Plötzlich gab es einen dumpfen Stoß
gegen die Rückwand des Hauses. Jack und ich tauschten einen beunruhigten Blick.
Als ich zum Fenster sah, tauchte hinter den Scheiben eine blauweiß gestreifte
Mütze auf. Dann folgte das fröhliche Gesicht eines der Anstreicher. Er grinste
uns blöd an und bewegte die Augenbrauen auf und ab.
    Ich stand auf, stakste zum Fenster und
zog die Vorhänge zu. »Mein Gott! Seit sie mit den Arbeiten hier angefangen
haben, kommt man sich vor wie in einem schlechten Film mit den Marx Brothers.«
Ich ging zum Sofa zurück. »Bevor wir unterbrochen wurden, wollte ich noch
sagen, daß mir die Idee eines Scheinprozesses nicht besonders gefällt. Ich
werde den Gedanken nicht los, es könnte ein verrücktes Spiel mit möglicherweise
ernsten Folgen werden.«
    Über uns tat es einen entsetzlichen
Schlag. Jack sah zur Decke. »Jetzt hör dir das an! Diese verflixte kleine Hexe
mit ihren Oberlichtern!«
    So ein Ausbruch war absolut untypisch
für ihn. Ich starrte ihn sprachlos an.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Ich weiß, du
magst Rae. Ich mag sie auch. Ich meine nur, daß sie sich auf unfaire Weise
Vorteile verschafft.«
    »Rae gehört zu den vielen Menschen, die
eine unglückliche Kindheit erlebt haben. Sie revanchiert sich dafür, indem sie
anderen auf die Zehen tritt.«
    »Na ja, ich hoffe, sie hat das bald
ausgeglichen. Aber zurück zu unserem Thema: Hattest du jemals den Verdacht, ich
hätte mehr im Sinn als so einen Scheinprozeß?«
    Ich runzelte die Stirn. »Lis sagte...«
    »Ich weiß — für sie ist es
Vergangenheit. Und ich weiß auch, daß sie eine tödliche

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