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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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Ihre
Ermittlungen ruhen. Sie wollen ja sicher keinen Aufruhr, schon gar nicht, indem
Sie sich diesen alten Mord vornehmen. Diese... wie hat Stameroff sie genannt?
Diese ›Leute, die zählen‹, können grob werden.«
    Ich nickte und rutschte von der
Tischkante. Mein Blick fiel auf die Linie, wo Lis’ Körper gelegen hatte, und
mir stiegen Tränen in die Augen. Was bedeutete es schon, daß ich die Frau nicht
gemocht hatte? Ein schreckliches Leben hatte ein schreckliches Ende gefunden.
    Wallace entging wenig. Er legte mir den
Arm um die Schultern und führte mich zur Tür. »Wenn es für Sie ein Trost ist«,
sagte er, »mir geht es nicht besser.«
    Wir sprachen beide kurz mit Jack, und
Wallace betonte noch einmal, ich solle meine Ermittlungen im Fall McKittridge
unterbrechen. Jack war zerstreut und in Gedanken bei Judy. »Es war von Anfang
an eine schlechte Idee«, sagte er und ging sie trösten.
    Den Rest der Nacht brütete ich zu Hause
nicht nur über Eis Benedicts Schicksal, sondern auch über dem der anderen, noch
lebenden Opfer des McKittridge-Mordes. Ich dachte an all die Opfer, denen ich
schon begegnet war. An all die Verbrecher, die die anderen zu Opfern gemacht
hatten. Und an all die Gründe, warum...
    Als es hinter den Wohnzimmerfenstern
langsam grau wurde, schrillte die Türglocke. Ich stand auf, und mich überkam
dieses Unbehagen, das ich bei so unzeitigem Alarm zu spüren pflege. Ich ging
durch den Flur und lugte durch das Guckloch. Mein Nachbar Will Curley,
Lkw-Fahrer bei einer Transportfirma, stand auf den Stufen. Er bediente die Bay
Area und tauchte immer zu den unmöglichsten Zeiten auf. Unter der
Giants-Baseballmütze sah mich ein zorniges Gesicht an.
    »Haben Sie das hier gesehen?« fragte
er, kaum daß ich die Tür aufgemacht hatte.
    Ich trat hinaus und sah in die
Richtung, in die er zeigte. Die Schindeln an der Vorderwand meines Hauses waren
rot verschmiert. Die Farbe war ins Holz eingezogen und verlaufen, aber man
konnte die Schrift noch lesen: TOTE FRAU. Zwei-, drei—, nein, viermal an die
Wand gesprüht.
    Ich war wie betäubt und berührte den
nächstgelegenen Farbfleck mit dem Finger. Er war noch klebrig. War das
passiert, als ich, in eine Decke gehüllt, auf dem Sofa gesessen hatte, oder
schon vorher, als ich noch am Tatort war? Oder noch früher, als ich schlief?
Möglicherweise war es mir nicht aufgefallen, weil ich im Dunkeln weggefahren
und im Dunkeln auch wieder heimgekommen war. Ich war in Eile und in Aufregung
gewesen. Zudem war die Außenbeleuchtung gestern abend ausgefallen.
    Tote Frau. Das war ich, wenn ich den Fall
Benedict nicht ruhen ließ. Mir fielen Wallace’ Worte ein: »Diese ›Leute, die zählen‹,
können grob werden.«
    Will wartete darauf, daß ich reagierte
— daß ich schrie, fluchte, weinte, irgend etwas tat, aber ich stand nur da.
Schließlich fragte ich: »Wissen Sie, wie ich das wieder runterkriege?«
    Er runzelte die Stirn, offensichtlich
verwundert über meine sanfte Reaktion. »Wahrscheinlich müssen Sie neu
verschindeln. War das die Mafia? Meine Frau sagt, gestern wäre hier eine
schwere Limousine aufgekreuzt, und Sie hätten sich mit ein paar Leuten in
dunklen Anzügen unterhalten.«
    Ich lächelte schwach. »Sie haben zu
viele Filme gesehen. Der Kerl in dem großen Wagen — es war keine Limousine —
steht auf unserer Seite des Gesetzes.« Zumindest heißt das allgemein so,
schränkte ich für mich ein.
    »Wer hat das dann getan?«
    »Ich wünschte, ich wüßte es.«
    »Wenn Sie es heraus haben, kommen Sie
zu mir. Ich werde mich um ihn kümmern.«
    »Mir wäre lieber, Sie erkundigten sich
für mich nach einem Handwerker, der mir billig die Schindeln ersetzt.«
    »Ich habe einen Vetter im Baugewerbe —
er macht Ihnen einen guten Preis.« Dann musterte Will mich genau, um zu sehen,
ob ich in Ordnung war. »Wenn Sie sonst noch etwas brauchen, rufen Sie mich
nur.«
    »Danke, Will.« Während er den Block
hinunter zu seinem Laster joggte, stieg in mir ein Gefühl der Dankbarkeit dafür
auf, daß ich diese Oase guter Nachbarschaft gefunden hatte. Ich ging ins Haus
zurück und rief Bart Wallace in seinem Büro an.
    »Ist Ihnen noch etwas eingefallen?
fragte er.
    »Nein, aber es gibt eine neue
Entwicklung.« Ich berichtete ihm von der Schmiererei.
    »›Tote Frau‹«, sagte er. »So etwas mag
ich gar nicht. Eine Stunde habe ich jetzt mit meinem Lieutenant konferiert, und
nun ist er beim Captain, aber ich habe ein Gefühl im Bauch, daß ich auf

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