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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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windstille Nacht im März, vor Beginn der Schlammperiode. Außerdem hatte Carl damals noch nicht aufgehört zu trinken, weshalb Ketchum damit durchkam. Der Hilfssheriff war unauffindbar; und selbst wenn man ihn gefunden hätte, hätte ihn sehr wahrscheinlich niemand wecken können.
    Bei dem Wind hätte Ketchum nur an einer Stelle Feuer zu legen brauchen, um den ganzen Ort und das Kochhaus niederzubrennen. Doch damit hätte er womöglich einen Waldbrand verursacht - selbst in einem so feuchten Monat wie dem März, in dem immer noch viel Schnee lag. Ketchum hatte nichts dem Zufall überlassen. Den Wald
mochte
er, gehasst hatte er den Ort Twisted River und das Kochhaus. (In der Nacht, als Rosie starb, hätte sich Ketchum in der Küche des Kochhauses beinahe die Hand abgeschnitten; er hatte gehört, wie der Koch sich in den Schlaf weinte, während Jane bei dem kleinen Danny im ersten Stock geblieben war.)
    In der Nacht, als Twisted River brannte, hatte Ketchum bestimmt drei Kubikmeter Feuerholz in seinem Pick-up. Aus jeweils der Hälfte des Holzes baute er zwei Scheiterhaufen, einen an dem verlassenen Sägewerk, den anderen in der ehemaligen Kochhausküche. Beide Stapel setzte er im Abstand von wenigen Minuten in Brand und sah zu, wie sie noch vor dem Morgen niederbrannten. Er benutzte ein edles Lampenöl mit Fichtenduft, um das Holz in Brand zu setzen; Kerosin oder Benzin hätten irgendwelche Spuren hinterlassen können, zumindest einen verräterischen Geruch. Doch von dem Lampenöl mit seinem unverdächtigen Fichtenduft hatte es keinerlei Rückstände gegeben, von dem gut abgelagerten Feuerholz ganz zu schweigen, das er zum Legen beider Brände benutzt hatte.
    »Weißt du was über den Brand in Twisted River letzte Nacht, Ketchum?«, hatte Carl ihn am nächsten Tag gefragt, nachdem der verkaterte Hilfssheriff zu den beiden Brandherden gefahren war. »Die Reifenspuren dort haben wie die von deinem Truck ausgesehen.«
    »Ich war ja auch da«, sagte Ketchum. »Es war ein
Wahnnsinns
feuer, Cowboy - das hättest du sehen müssen! Es hat so ziemlich die ganze Nacht durch gebrannt! Ich hab mir ein, zwei Bier geschnappt, bin hingefahren und hab's mir angesehen.« (In späteren Jahren würde Ketchum sagen, es sei ein Jammer, dass der Hilfssheriff nicht mehr trank.)
    Die beiden kamen nicht gerade besser miteinander klar, seit Carl wusste, dass der junge Baciagalupo Indianer-Jane mit einer Bratpfanne getötet hatte und alles Übrige auch. Dass Janes Tod ein Unfall gewesen war, hatte der Hilfssheriff inzwischen begriffen; laut Ketchum verwand er ihren Tod relativ leicht, allerdings nahm er es Ketchum übel, dass der ihm nie die Wahrheit gesagt hatte. Nicht verwinden konnte der Cowboy, dass der Koch Jane gefickt hatte - zu einer Zeit, als Jane Carl »gehörte«. Deshalb wollte Carl den Koch töten, das hatte der Hilfssheriff dem Holzfäller unmissverständlich klargemacht.
    »Ich weiß, du sagst mir nicht, wo Cookie ist, Ketchum, aber eins kannst du dem kleinen Krüppel von mir ausrichten: Ich werde ihn finden«, sagte der Cowboy. »Und du solltest dich vorsehen, wenn du weißt, was gut für dich ist.«
    »Ich sehe mich immer vor, Carl«, erwiderte Ketchum. Der erfahrene Holzarbeiter verlor kein Wort über seinen Hund, dieses »brave Tier«. Der Hund sollte eine Überraschung sein, falls der Cowboy ihm je ans Leder wollte. Tatsächlich aber wusste wohl jeder, der das ganze Jahr am oberen Androscoggin lebte (also auch Carl), dass Ketchum einen Hund hatte. Ketchum nahm das Tier in seinem Pick-up überallhin mit. Was Ketchum geheim gehalten hatte, war, wie wild der Hund war. (Natürlich konnte nicht
dasselbe
brave Tier Ketchum 16 Jahre lang beschützen; der jetzige Wachhund musste der Sohn oder Enkel des
ersten
braven Tieres sein, das Ketchum sich nach Sixpack-Pams Abgang zugelegt hatte.)
    »Ich hab's euch gesagt«, sagte Ketchum zu Danny und seinem Dad. »New Hampshire liegt neben Vermont - für meinen Geschmack ist das ungemütlich nahe. Ich halte es für eine
phantastische
Idee, dass ihr beide nach Iowa zieht. Und dem kleinen Joe gefällt's dort mit Sicherheit auch. Iowa - ist doch auch so ein Indianername, oder? O Mann, diese Indianer waren früher ja echt überall. Und dann seht euch bloß mal an, was ihnen dieses Land angetan hat! Da fragt man sich schon, welche Ziele unser Land verfolgt, nicht wahr? Nicht erst in Vietnam haben wir ein schlechtes Bild abgegeben. Und so, wie unser bescheuertes Land gerade vor die Hunde geht -

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