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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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würden.
    Der verdutzte Patrice und der entsetzte Silvestro sahen ihn entgeistert an. Sie hatten ein Patt erreicht. Dominic dachte: Ich sollte Daniel bitten, sich einen Namen einfallen zu lassen, schließlich ist er Schriftsteller! In diesem Moment brach Silvestro das Schweigen. »Was ist mit
deinem
Namen, Dominic?«, sagte der junge Küchenchef.
    »Nicht
Baciagalupo!«,
rief der Koch. (Wenn ihn der Cowboy nicht umbrachte, würde es Ketchum tun, das wusste Dominic.)
    »Apropos
zu italienisch!«,
sagte Arnaud liebevoll.
    »Ich meine
die Bedeutung
deines Namens, Dominic«, sagte Silvestro. Patrice Arnaud hatte die
Bedeutung
von Baciagalupo nicht erraten, obwohl die Wörter auf Französisch ähnlich waren. »>Kiss of the Wolf<«, sagte Silvestro langsam und betonte dabei
Kiss
und
Wolf
gleich stark. »Wolfskuss!«
    Arnaud erschauerte. Er war ein kräftiger, untersetzter Mann mit kurzgeschnittenen grauen Haaren und einem kultivierten Lächeln. Er trug dunkle Hosen mit makellosen Bügelfalten und stets ein elegantes Hemd ohne Krawatte. Das Zeremonielle wirkte bei ihm ganz natürlich; der ebenso höfliche wie weise Gastronom begriff, was an Altmodischem bewahrenswert war, wusste aber auch sofort, wann man etwas ändern musste.
    »Tja, also - Kiss of the Wolf! -, warum hast du mir das verschwiegen, Dominic?«, fragte Arnaud seinen treuen Freund schelmisch.
»Der
Name ist verführerisch und modern zugleich, und er hat
Biss!«
    Tja, Kiss of the Wolf hat wirklich
Biss,
dachte der Koch - doch Ketchums Kommentar zu dem Namen des neuen Restaurants würde anders ausfallen. Dominic mochte lieber nicht daran denken, was der alte Holzfäller sagen würde, sobald er davon Wind bekam. »Haufenweise Elchscheiße!«, würde Ketchum vielleicht ausrufen - oder Schlimmeres.
    War es nicht schon riskant genug, dass der Koch seinen richtigen Namen wieder angenommen hatte? Welche Gefahr bedeutete es in einer Welt mit Internet, dass plötzlich wieder ein Dominic Baciagalupo aktiv war? (Wenigstens war Ketchum etwas erleichtert, als er erfuhr, dass Nunzi, auf dem Höhepunkt ihres phonetischen Zartgefühls, den Namen Baciodalupo zu Baciagalupo verschliffen hatte!) Doch wie sollte, realistisch betrachtet, ein Hilfssheriff im Ruhestand aus Coos County, New Hampshire, herausfinden, dass der Name des Restaurants Kiss of the Wolf in Toronto, Ontario, Kanada, die englische Übersetzung des phonetisch abgewandelten Phantasienamens Baciagalupo war? Und vergiss nicht, beruhigte sich Dominic - der Cowboy ist genauso alt wie Ketchum, nämlich
81!
    Wenn ich hier nicht in Sicherheit bin, werde ich es nie sein, dachte Dominic beim Betreten der schmalen, geschäff igen Küche des Patrice. Nun, es ist eine Welt voller Unfälle und Zufälle, oder? In solch einer Welt ändern sich nicht nur die Namen.
     
    Nachgerade wünschte Danny Angel sich inständig, er hätte den Namen Daniel Baciagalupo nie aufgegeben, und zwar nicht, weil er wieder der unschuldigere Knabe und junge Mann von früher sein wollte - oder auch nur, weil Daniel Baciagalupo sein richtiger Name war, den ihm seine Eltern gegeben hatten -, sondern, weil der mittlerweile 58-jährige Romancier glaubte, es sei ein besserer Name für einen Schriftsteller. Und je mehr er sich den sechzig näherte, desto weniger fühlte er sich wie ein Danny oder ein Angel; dass sein Vater all die Jahre auf dem
Daniel
bestanden hatte, ergab für den Sohn nun immer mehr Sinn. (Nicht dass es einem zu Hause arbeitenden, auf die sechzig zugehenden Schriftsteller immer leichtfiel, mit seinem 76 Jahre alten Dad zusammenzuwohnen. Die beiden konnten ein ausgesprochen streitbares Paar sein.)
    Wegen der umstrittenen Präsidentschaftswahl in den usa - dem »Florida-Fiasko«, wie Ketchum es nannte, durch das George W. Bush AI Gore die Präsidentschaft »gestohlen« hatte - waren Ketchums Faxe häufig wutentbrannt. Gore hatte die Wahl nach Stimmen gewonnen. Die Republikaner hatten die Wahl gestohlen, das glaubten auch Danny und sein Dad, sie teilten jedoch nicht unbedingt Ketchums extremere Ansichten - zum Beispiel, dass sie »als Kanadier besser dran« seien und dass Amerika sein Schicksal verdient habe.
     
    wo sind die attentäter, wenn man einen braucht?
     
    hatte Ketchum gefaxt. Das ging nicht gegen George W. Bush; Ketchum meinte, jemand hätte Ralph Nader töten sollen. (Gore hätte Bush in Florida geschlagen, wäre Nader nicht als Spielverderber auf den Plan getreten.) Ketchum war der Meinung, man sollte den früheren

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