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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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eines anderen Zimmers, in dem das andere Mädchen auch sofort verschwand, während Meg allein im Flur des Gästeflügels stand, als Joe um die Ecke des L bog. Alles passierte so schnell, dass Joe Danny und Dominic gar nicht bemerkte, und auch Meg sah die beiden nicht. Sie sah nur Joe, der sie auch sah, und ehe sie in das Gästezimmer huschte und die Tür hinter sich schloss - wonach aus dem Zimmer noch mehr schrilles Kreischen ertönte -, hatte Meg für Joe ihr Badetuch aufgeschlagen.
    »Sie hat ihre kleinen Titten für ihn geschüttelt!«, schilderte der Koch später die Episode gegenüber Ketchum.
    »Sie ist eine echte Ablenkung« war alles, was Danny damals dazu eingefallen war.
    Es war, was Charlotte eine »beiläufig dahingeworfene Bemerkung« genannt hätte - damit war, in einem Drehbuch, irgendein nebensächliches Dialogstück gemeint -, doch nach dem Unfall, bei dem Joe und Meg getötet wurden, blieb das Wort
Ablenkung
hängen.
    Warum waren die beiden beispielsweise nicht angeschnallt gewesen? Hatte ihm das Mädchen einen geblasen? Wahrscheinlich schon; als man die Leiche fand, stand Joes Hosenstall offen, und sein Penis guckte heraus. Er war aus dem Wagen geschleudert worden und sofort tot gewesen. Meg hatte weniger Glück gehabt. Als man das Mädchen fand, lebte sie zwar noch, doch Kopf und Hals standen in einem unnatürlichen Winkel ab; sie war zwischen Brems- und Gaspedal eingeklemmt worden. Sie starb noch im Krankenwagen, auf dem Weg ins Krankenhaus.
    Was Joe und Meg bewogen hatte, zwei Tage lang Seminare zu schwänzen und nach Winter Park zu fahren, schien auf den ersten Blick ziemlich offensichtlich zu sein; doch dass es zwei Tage lang pausenlos geschneit hatte, war
nicht
der Hauptgrund. Außerdem war es ein für Ende März typischer Schnee gewesen, feucht und schwer - darauf konnte man nur langsam Ski fahren, und die Sichtverhältnisse auf dem Berg waren tückisch. Und dem Zustand der Skihütte in Winter Park nach zu urteilen - bevor die Putzfrau herbeieilte und versuchte, Ordnung zu schaffen -, hatten Joe und das Mädchen die meiste Zeit im Haus verbracht. Zum Skifahren waren sie offenbar kaum gekommen. Vielleicht bedeutete es nicht mehr als andere jugendliche Experimente, aber offenbar hatte das junge Paar sich einen Spaß daraus gemacht, in jedem Bett des Hauses zu schlafen.
    Natürlich blieben einige Fragen offen. Wenn sie nicht zum Skifahren in Winter Park waren, warum hatten sie mit der Rückfahrt nach Boulder bis zum Abend des zweiten Tages gewartet? Joe wusste, dass die Bergwacht bei Lawinengefahr für gewöhnlich den u.s. Highway 40 über den Berthoud-Pass zwischen Mitternacht und Tagesanbruch sperrte. Bei so schwerem und nassem Schnee - und weil die Lawinengefahr zu der Zeit hoch war - hatte es Joe wohl nicht riskieren wollen, am nächsten Morgen vor Tagesanbruch aufzubrechen, wenn oberhalb des Berthoud-Passes vielleicht noch Lawinensprengungen vorgenommen wurden. Natürlich hätte das Paar warten können, bis es am nächsten Morgen hell wurde, doch vielleicht hatten Joe und Meg gedacht, nach zwei Tagen Blaumachen sollten sie wieder an die Uni.
    Als sie in Winter Park aufbrachen, schneite es heftig, doch auf dem u. s. 40 in Richtung der Interstate 70, eigentlich einem stark befahrenen Highway, herrschte kaum Verkehr. (Nun, es war ja auch an einem Werktag, und in den meisten Schulen und Colleges waren die Frühlingsferien bereits vorbei.) Am höchsten Punkt des Berthoud-Passes mussten Joe und Meg den Schneepflug überholt haben; der Mann am Steuer des Räumfahrzeugs erinnerte sich an Joes Wagen, hatte allerdings nur den Fahrer gesehen. Vielleicht hatte der Mann die Beifahrerin nicht sehen können, weil der Blowjob schon im Gange war. Doch Joe winkte dem Pflugfahrer zu, und der winkte zurück.
    Nur Sekunden später bemerkte der Schneepflugfahrer den anderen Wagen - der in die Gegenrichtung unterwegs war, von der I-70 herkam, und der Fahrer des Pflugs hielt ihn für einen »verdammten Raser aus Denver«. Dieser Fahrer war nämlich für die Wetterbedingungen - es herrschte fast ein Schneesturm - viel zu schnell unterwegs. Nach Einschätzung des Pflugfahrers fuhr Joe vorsichtig, dem Unwetter und dem glatten Schnee auf der Straße angemessen. Wohingegen der Wagen aus Denver - falls er wirklich aus Denver kam - auf der Passhöhe ins Schleudern geriet. Der Fahrer des Schneepflugs betätigte zwar die Lichthupe, doch der andere Wagen bremste nicht.
    »Er war nichts als ein verschwommener blauer

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