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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nur die Augen verdreht. Sixpack wusste, was Ketchum von Filmen
und
von Berlin hielt. »Lieber bleib ich zu Hause und sehe Hero beim Furzen zu«, sollte das heißen.
    Sie wollte, dass Ketchum sie heiratete, das wurde ihr auf einmal klar. Aber
wie
sollte sie das
hinkriegen?
    Kurz nach Mittag, Ketchum und die beiden anderen waren inzwischen schon den gesamten Vormittag weg (und Pam auf sie und den Rest der Welt außerordentlich sauer), gab die US-Einwanderungsbehörde bekannt, man habe für die amerikanischen Grenzen zu Kanada und Mexiko die höchste Alarmstufe ausgerufen. Ob die Grenzen geschlossen würden, sei aber noch nicht entschieden.
    »Die Fanatiker sind keine
Kanadier!«,
schrie Sixpack sinnloserweise die Hunde an. »Die Terroristen sind keine
Mexikaner!«
Den ganzen Vormittag hatte sie sich zusammengerissen, doch jetzt flippte Sixpack aus. Hero verschwand durch die Hundetür nach draußen in den Zwinger, inzwischen offenbar überzeugt, dass der Schäferhund verglichen mit Pam das kleinere Übel war.
    Als Ketchum samt Danny und Carmella endlich eintraf und seinen leidgeprüften Hero (»das brave Tier«) mit Pams Hunden (inklusive den tückischen Deutschen Schäferhund) im Außenzwinger sah, zog er daraus den Schluss, Pam habe seinen verletzten Jagdhund vernachlässigt. »Bestimmt liegt Pam auf der faulen Haut und guckt sich jeden Dreck an, der gerade in der Glotze läuft«, schimpfte der ewig kritische Ketchum.
    »Hoppla«, sagte Danny zu Carmella und, an Ketchum gewandt: »Du solltest nett zu Sixpack sein, Ketchum. Ich finde sogar, du solltest sie
heiraten
- oder wenigstens wieder mit ihr zusammenziehen.«
    »Heiliger Dünnschiss!«, schrie Ketchum und knallte die Fahrertür des Trucks zu. Sofort fingen Pams Hunde wieder an zu bellen, nur Hero blieb stoisch.
    Sixpack kam aus der Küche durch die Trailertür. »Das Land wird angegriffen!«, kreischte Pam. »Bush fliegt in der Air Force One durch die Gegend - bestimmt versteckt sich der Feigling! Alle Israelis sind nach Hause gegangen, um sich zu verteidigen! Das ist der Anfang vom Ende der Welt!«, schrie Pam Ketchum an. »Und
dir
launischem Arschloch fällt nichts Besseres ein, als meine Hunde verrückt zu machen!«
    »Die heiraten?«,
sagte Ketchum zu Danny. »Weshalb sollte ich mit ihr
zusammenleben
wollen? Kannst du dir vorstellen, jeden Tag zu einer mit einem solchen Dachschaden nach Hause zu kommen?«
    »Aber es
stimmt!«,
klagte Sixpack. »Sieh's dir selber an, Ketchum - es ist im
Fernsehen!«
    »Im
Fernsehen!«,
wiederholte Ketchum und blinzelte Carmella zu, was Sixpack zweifellos den Rest gab. »Wenn's in der Glotze ist, muss es natürlich wahrer sein als fast alles andere.«
    Doch weder Sixpack noch Ketchum hatten groß darüber nachgedacht, wo sie sich
befanden
- nämlich in einem ordentlichen, penibel gepflegten Trailerpark, auf dem Campinglatz Saw Dust Alley, wo viele Hausfrauen mit kleinen Kindern wohnten, dazu einige ältere Männer und Frauen (Rentner oder Arbeitslose) und ein paar Jugendliche, die hinter dem Rücken ihrer berufstätigen Eltern die Schule schwänzten.
    Aber auch Ketchum ahnte offensichtlich nicht, wie viele Menschen seinen Wortwechsel mit Pam mitgehört hatten, und weder Ketchum noch Sixpack waren darauf vorbereitet, welche Vielzahl unterschiedlicher Ansichten es unter den Bewohnern des Trailerparks gab, die den ganzen Vormittag wie gebannt vor ihren Fernsehgeräten gehockt hatten. Bedachte man, dass die Wände der Trailer hauchdünn waren und viele dieser Leute im Laufe des Tages miteinander über die aktuellen Ereignisse gesprochen hatten, vertraten sie erstaunlich viele verschiedene Meinungen zu dem, was einige für den Auftakt zum Armageddon hielten. Und jetzt war dieser notorische Streithammel
grölend
in ihre kleine Gemeinschaft geplatzt, und das berühmte Großmaul (denn Ketchum war in Errol tatsächlich berühmt) schien von den neuesten Nachrichten nichts mitbekommen zu haben.
    »Hast du denn nichts gehört, Ketchum?«, fragte ihn ein alter Mann. Er ging gebückt, mit einem fast rechtwinkligen Knick im Rücken, die Hosenträger schlabberten um seine knochigen Schultern, die spillerigen Arme ragten aus einem weißen ärmellosen Unterhemd, das er an diesem warmen Septembertag zu einer rot-schwarzen wollenen Jagdhose trug. »Bist du das, Henry?«, fragte ihn der Holzfäller. Ketchum hatte den alten Sägewerker nicht mehr gesehen, seit das Sägewerk in Paris geschlossen war.
    Henry hielt die linke Hand hoch, an der Daumen

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