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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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und Zeigefinger fehlten. »Klar bin ich's, Ketchum«, sagte er. »Im Nahen Osten herrscht Krieg, der Krieg zwischen Muslimen und Juden- und
hier
hat er soeben auch angefangen, Ketchum.«
    »Der hat schon vor langer Zeit angefangen«, sagte Ketchum dem Sägewerker. »Was ist los?«, fragte er dann Sixpack.
    »Das
versuch
ich dir doch dauernd zu sagen!«, schrie Pam.
    Eine junge Frau mit einem Baby im Arm erklärte Ketchum: »Es ist ein Terroranschlag, kein Flughafen ist mehr sicher. Sie wurden alle geschlossen.«
    Zwei Jugendliche, Brüder, die gemeinsam die Schule schwänzten, standen barfuß herum; sie trugen Jeans, in der Mittagssonne aber keine Hemden. »Hunderte, vielleicht Tausende von Leuten sind tot«, sagte einer zu Ketchum.
    »Leute sind aus Wolkenkratzern gesprungen!«, rief der andere.
    »Der Präsident ist verschollen, keiner weiß, wo er ist!«, sagte eine Frau mit zwei kleinen Kindern.
    »Na, wenigstens
eine
gute Nachricht!«, befand Ketchum.
    »Bush ist nicht verschwunden, er fliegt nur herum, aus Sicherheitsgründen. Hab ich dir doch gesagt«, warf Sixpack ein.
    »Vielleicht waren's die Juden - damit wir glauben, die Araber wären's gewesen!«, rief ein junger Mann mit Krücken.
    »Wenn dein Hirn kaputt ist, helfen auch keine Krücken«, entgegnete Ketchum. »Heiliger Dünnschiss - lass mich mal einen Blick in die Glotze werfen«, sagte er zu Sixpack. (Der ehemalige Flößer, mittlerweile ein eifriger Leser, war wohl der einzige Bewohner Errols, der keinen Fernseher besaß.)
    Sie folgten Pam in ihre Küche - nicht nur Ketchum und Danny, der Carmella am Arm hielt, sondern auch Henry, der alte Sägewerker mit den Fingerstummeln, und zwei der jungen Mütter.
    Der Mann mit den Krücken war davongehumpelt. Die beiden Brüder krakeelten draußen in der Nähe des Zwingers. Nachdem sie mit den Hunden ein paar Nettigkeiten ausgetauscht hatten, sagte einer von ihnen: »Sieh dir diesen Köter mit dem einen Ohr an - der war in 'nem Kampf.«
    »Was für ein Kampf«, sagte der zweite Junge. »Bestimmt mit einer Katze.«
    »Was für eine
Katze!«,
meinte der erste Junge anerkennend.
    In Pams Küchenfernseher war immer und immer wieder der Augenblick zu sehen, als Flug Nummer 175 in den Südturm des World Trade Center krachte - und natürlich der Einsturz des Süd- und dann des Nordturms. »Wie viele Menschen waren in diesen Türmen, wie viele Polizisten und wie viele Feuerwehrleute befanden sich unter den Hochhäusern, als sie einstürzten?«, fragte Ketchum, bekam aber keine Antwort; für solche Statistiken war es noch zu früh.
    Um 13 Uhr 04 meldete sich Präsident Bush von dem Luftwaffenstützpunkt Barksdale in Louisiana und versicherte, sämtliche erforderlichen Sicherheitsmaßnahmen würden ergriffen - einschließlich der Ausrufung der höchsten Alarmstufe für alle amerikanischen Truppen weltweit. »Tja, schon fühlen wir uns alle verdammt viel sicherer!«, sagte Ketchum.
    »Eins steht fest«, sagte Bush im Fernsehen. »Die Vereinigten Staaten werden diejenigen aufspüren und bestrafen, die für diese feige Tat verantwortlich sind.«
    »O Mann«, sagte Ketchum. »Klingt für mich, als sollten wir uns als Nächstes
davor
fürchten.«
    »Aber sie haben uns angegriffen«, sagte die junge Frau mit dem Kleinkind im Arm. »Müssen wir da nicht mit gleicher Münze heimzahlen?«
    »Das sind Selbstmordattentäter«, sagte Ketchum. »Wie zahlt man denen mit gleicher Münze heim?«
    Um 13 Uhr 48 verließ Präsident Bush an Bord der Air Force One Barksdale und flog zu einem anderen Stützpunkt nach Nebraska. »Noch mehr Herumgefliege«, kommentierte Sixpack.
    »Wie viele Kriege wird dieser Volldepp anzetteln, was meint ihr?«, fragte Ketchum in die Runde.
    »Nun mach mal 'n Punkt, Ketchum - er ist der
Präsident«,
sagte Henry.
    Ketchum griff nach der verstümmelten Hand des alten Sägewerkers. »Hast du schon mal einen Fehler gemacht, Henry?«, fragte er ihn.
    »Den einen oder anderen«, antwortete dieser; jeder sah die beiden Stummel.
    »Tja, dann wart's mal ab, Henry«, sagte Ketchum. »Diese Dumpfbacke im Weißen Haus ist der Falsche für diesen Job - wart's nur ab, wie viele Fehler dieser
Schwanzlutscher
machen wird! Solange dieses Häufchen Mäusekot das Sagen hat, wird es noch eine
Myriade
von Fehlern geben!«
    »Eine
was?«,
sagte Sixpack; sie klang verängstigt.
    »Eine
Myriade!«,
schrie Ketchum.
    »Eine unendlich große Menge, zahllose«, erklärte ihr Danny.
    Sixpack sah elend aus, als hätte man jedes

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