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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sie dachte, mit ihrer Beziehung ginge es bergauf, wenn auch nicht mit Riesenschritten, sagte Sixpack, so kam es ihr vor, genau das Falsche - und wenn nicht sie, dann Ketchum.
    Sie hatte zahlreiche Männer verlassen oder war von ihnen verlassen worden, doch dass es mit ihr und Ketchum aus war, hatte sie am härtesten getroffen - selbst wenn Sixpack berücksichtigte, dass Carl sie beinahe umgebracht hatte, als sie ihn verließ. Der Hilfssheriff hatte sie nachts auf einem Steg vergewaltigt - auf dem Bootsanleger des Success Pond. Danach hatte ein Paar, das zufällig Zeuge des Vorfalls geworden war, sie in das Androscoggin Valley Hospital nach Berlin gebracht, wo sie sich ein paar Tage lang erholen konnte. Anschließend hatte Pam im selben Krankenhaus eine Stelle bekommen, die ihr gefiel; sie arbeitete als Putzfrau, vorwiegend nachts, wenn ihre Hunde schliefen. Sich mit den Patienten zu unterhalten war für Pam ein gutes Mittel gegen Selbstmitleid. In kleinen, akkuraten Buchstaben stand auf ihrer Krankenhauskluft das Wort hygiene. Sixpack bezweifelte, dass die Patienten sie für eine Krankenschwester oder Pflegerin hielten, sie glaubte aber, dass sie dennoch für manche ein Trost war - so wie manche Patienten für sie.
    Sixpack-Pam wusste, dass sie um einen Hüftgelenkersatz nicht herumkam, und wenn ihre Hüfte weh tat, dachte sie jedes Mal daran, wie der Cowboy sie auf dem Bootsanleger gebumst hatte - wie er ihr Gesicht auf eine Bootsklampe gedrückt hatte, daher die Narbe auf ihrer Oberlippe. Doch am schlimmsten war, dass sie Ketchum gesagt hatte, er
solle
Carl tatsächlich umbringen. Das war besonders schlimm, weil Sixpack damals nicht gewusst hatte, wie sehr Ketchum schon
seit Jahren
glaubte, er hätte den Cowboy umbringen sollen. (Und als der Exhilfssheriff Cookie erschoss, nahmen Ketchums Selbstvorwürfe kein Ende.)
    Pam bereute es auch, dass sie Ketchum je erzählt hatte, was Carl nach jenem fatalen Frontalzusammenstoß auf der Route 11 gemacht hatte - also auf der Straße von Berlin nach Groveton, wo der Highway neben dem Dead River verlief. Zwei nicht angeschnallte Teenager waren frontal auf einen Putentransporter geprallt. Die Puten waren bereits tot; sie waren schon vorher »weiterverarbeitet« worden, wie man das in der Putenzuchtbranche nennt. Der Lkw-Fahrer überlebte, erlitt aber eine Nackenverletzung und verlor kurz das Bewusstsein; als er wieder zu sich kam, sah er die beiden toten Teenager vor sich. Den Jungen, der am Steuer saß, hatte die Lenksäule durchbohrt, und das in den Beifahrersitz eingeklemmte Mädchen war enthauptet worden. Carl war der erste Polizist am Unfallort und hatte - laut dem Fahrer des Putentransporters - das tote enthauptete Mädchen betatscht.
    Carl behauptete, der Trucker sei nicht ganz bei Trost, schließlich habe er sich eine Nackenverletzung zugezogen und sei ohnmächtig geworden, und als er wieder zu sich kam, habe er offensichtlich Wahnvorstellungen gehabt. Doch der Cowboy hatte Pam die Wahrheit erzählt. Klar hatte er die Titten des kopflosen Mädchens befummelt, und wennschon - sie war schließlich tot, oder? Worauf Ketchum - nicht zum letzten Mal - gesagt hatte: »Ich sollte den Cowboy einfach umbringen.«
    Zu Hero und ihrem Deutschen Schäferhund sagte Pam jetzt: »Ihr zwei solltet aufhören, euch ständig so anzuglotzen.« Es war kurz nach neun Uhr morgens - genau 18 Minuten nachdem das erste Passagierflugzeug in den Nordturm geflogen war -, als der zweite entführte Flieger, der ebenfalls in Boston gestartete United-Airlines-Flug Nummer 175, in den Südturm des World Trade Center raste und explodierte. Beide Gebäude standen in Flammen, als Sixpack zu den versammelten Hunden sagte: »Wenn ihr mir erzählt, das war
noch
ein Kleinflugzeug, dann frag ich euch, was ihr zu eurem Hundefutter getrunken habt.«
    Hero leckte versuchsweise ein wenig Sulfonamid-Pulver von seinen Kratzwunden, doch der Geschmack brachte den Hund schnell davon ab. »Schmeckt das nicht lecker?«, fragte Pam den Jagdhund. »Leck es ruhig ab, Hero, ich hab noch mehr.«
    Ganz ohne Vorwarnung - und offenbar von langer Pfote vorbereitet - stürzte sich Hero auf den Schäferhund; unter dem Küchentisch begann eine wüste Keilerei, ehe Sixpack die Hunde mit der Wasserpistole trennen konnte. Die Pistole hatte sie immer mit Geschirrspülmittel und Zitronensaft gefüllt, und diese Mischung spritzte sie beiden Hunden in die Augen - das war ihnen
zuwider.
Pam war auf allen vieren unter den Küchentisch zu den

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