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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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dieser hinterhältige Scheißer von einem Schäferhund?
    »Lass dir keine krummen Eier wachsen, Hero, ich tu dir schon nicht weh«, versprach Pam dem Jagdhund, doch der musterte sie unvermindert misstrauisch. Wer weiß, vielleicht rechnete sich Hero gegen einen Bären bessere Chancen aus.
    Um 10 Uhr 24 meldete die faa, sämtliche Transatlantikflüge in die usa seien nach Kanada umgeleitet worden. »Hey, einfach genial!«, sagte Sixpack dem Fernseher. »Den Plan hätte ich vielleicht schon vor
Monaten
in die Tat umgesetzt! Habt ihr etwa gedacht, die Kerle, die diese ersten beiden Flugzeuge gesteuert haben, stammen aus Boston?« Doch der Fernseher reagierte nicht.
    Vier Minuten später stürzte der Nordturm des World Trade Center ein; jemand sagte, der Turm scheine sich von oben nach unten zu schälen, als hätte sich eine Hand mit einem Messer an einem langen Gemüse zu schaffen gemacht. »Falls das nicht das Ende der Welt ist, so ist es auf jeden Fall der Anfang von so etwas Ähnlichem«, sagte Sixpack zu den Hunden. (Hero sah sich immer noch überall nach dem bescheuerten Schäferhund um.)
    Um 10 Uhr 54 räumte Israel alle seine diplomatischen Vertretungen. Sixpack dachte, sie sollte sich das notieren. Ketchum sagte immer, die Israelis seien die Einzigen, die wussten, was Sache sei; wenn die Israelis alle Botschaften dichtmachten, hieß das, dass die muslimischen Extremisten, diese militanten Islamisten, die entschlossen waren, die Juden auszulöschen, ihren Religionskrieg mit einer Attacke auf die Vereinigten Staaten begannen - denn ohne die usa gäbe es Israel schon lange nicht mehr. In der feigen, sogenannten demokratischen Welt habe nämlich kein anderer Staat den Mumm, für die Israelis einzutreten - jedenfalls sagte das Ketchum, und Sixpack übernahm ihre politischen Ansichten größtenteils von dem libertären alten Holzfäller. (Ketchum bewunderte die Israelis und kaum jemanden sonst.)
    Sixpack hatte sich oft gefragt, ob Ketchum halb Indianer und halb
Jude
war, weil er regelmäßig damit drohte, nach Israel auszuwandern. Pam hatte Ketchum mehr als einmal sagen hören: »Vielleicht könnte ich mich nützlicher machen, wenn ich statt auf die armen Hirsche und Bären auf diese Hamas- und Hisbollah-Ärsche schieße!«
    An jenem Morgen forderte New Yorks Bürgermeister Rudolph Giuliani die Einwohner dringend auf, zu Hause zu bleiben; außerdem ordnete er eine Evakuierung der Stadt südlich der Canal Street an. Inzwischen wunderte sich Pam, dass Ketchum und die beiden anderen fast den ganzen Vormittag dafür brauchten, die Asche des kleinen Kochs zu verstreuen. Doch da Sixpack Ketchum kannte, nahm sie an, dass er darauf bestanden hatte, Danny die von ihm so genannte »Zerstörungswut« zu zeigen, mit der man Paris - oder West Dummer, daran hielt Ketchum eisern fest - dem Erdboden gleichgemacht hatte. Und entweder auf der Fahrt nach oder auf dem Rückweg aus Paris würde Ketchum bestimmt anhalten, um eine
Scheißlobrede
auf die verwirrten, rührenden Elche zu halten, die am Moose-Watch Pond mit ihren mageren Ärschen wackelten.
    Es versetzte Pam einen Stich, wenn sie daran dachte, wie selten sie Ketchums regelmäßige Einladungen angenommen hatte, ihn zu seinen nächtlichen Ausflügen zu den tanzenden Elchen zu begleiten. (Sixpack war der Ansicht, dass die Elche nur ziellos »herumtapsten«.) Auch dachte Pam mit Bedauern daran, dass sie nur selten bei einem von Ketchums »Campingausflügen« (wie sie sie nannte) zu dem grasbewachsenen Hügel mitgegangen war, auf dem einmal das Kochhaus gestanden hatte. Sie wusste, für Ketchum war das heiliger Boden, und er mochte nichts lieber, als dort die Nacht zu verbringen. Ketchum stellte einfach ein Zelt auf und schlief in einem Schlafsack, doch sein Schnarchen hielt Pam die halbe Nacht wach, und auf dem harten Untergrund tat ihr ihre Hüfte weh. Außerdem zeltete Ketchum am liebsten dort draußen, wenn es kälter wurde - besonders wenn Schnee gefallen war. Und bei dem kalten Wetter fing Sixpacks Hüfte an zu pochen.
    »Du bist es doch, die ihre Hüftgelenksoperation dauernd verschiebt«, gab Ketchum zurück, wenn Sixpack ihm wegen der schmerzenden Hüfte absagte; Sixpack bereute auch, dass sie die Operation immer wieder verschoben hatte. Und wie konnte sie erwarten, dass Ketchum ihre lange zurückliegende Beziehung wiederaufnahm, wenn sie nicht mal mit ihm zelten ging, wenn er sie darum bat?
    Als sie vorschlug, sich stattdessen in Berlin einen Film anzusehen, hatte Ketchum

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