Letzte Nacht in Twisted River
Streithähnen gekrochen, und jetzt schmerzte ihre Hüfte, und sie war nicht in der Stimmung, sich Präsident Bush anzuhören, der um 9 Uhr 30 auf dem Bildschirm erschien und sich aus Sarasota, Florida, zu Wort meldete.
Sixpack hasste George W. Bush nicht so abgrundtief, wie Ketchum ihn hasste, doch sie hielt den Präsidenten für einen feixenden Hohlkopf und ein unterbelichtetes Papasöhnchen und teilte Ketchums Auffassung, Bush wäre selbst in der kleinsten Krise so nutzlos wie feuchte Kacke. Wenn beispielsweise zwei kleine Hunde aneinandergerieten, behauptete Ketchum, würde Bush die Feuerwehr rufen und sie bitten, einen Schlauch mitzubringen; dann würde der Präsident in sicherer Entfernung von den kämpfenden Hunden warten, bis die Feuerwehrleute kamen. Am besten an dieser Einschätzung gefiel Pam, dass Ketchum erklärte, der Präsident würde gleich wichtigtuerisch herumlaufen und so tun, als hätte er eine Aufgabe - sobald die Feuerwehrleute mit dem Schlauch eingetroffen waren und vorausgesetzt, es war noch etwas von den Hunden übrig, die sich in der Zwischenzeit vielleicht schon gegenseitig zerfleischt hätten.
Getreu diesem Porträt erklärte Präsident Bush im Fernsehen, das Land habe »offenbar einen terroristischen Anschlag« erlitten.
»Nein,
echt?«,
fragte Sixpack den Präsidenten auf dem Bildschirm. Wie es typisch ist für Menschen, die allein leben (die Hunde nicht mitgerechnet), redete Pam mit den Leuten im Fernsehen - als könnten die sie hören, so wie ihre Hunde.
Inzwischen hatte die amerikanische Zivillufffahrtbehörde faa die New Yorker Flughäfen geschlossen, und das Hafenamt von New York und New Jersey hatte sämtliche Brücken und Tunnel in New York und Umgebung sperren lassen. »Worauf warten die blöden Wichser noch?«, fragte Sixpack die Hunde. »Sie sollten
alle
Flughäfen dichtmachen!« Zehn Minuten später legte die faa den Flugbetrieb auf allen US-Flughäfen still; es war das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass der Luftverkehr landesweit eingestellt wurde. »Habt ihr gesehen?«, sagte Sixpack zu den Hunden. »Anscheinend hört mir jemand zu.« (Wenn auch nicht Ketchum und bestimmt nicht die Hunde.)
Sixpack hatte einen sauberen Schwamm in kaltem Wasser getränkt und wusch dem Schäferhund Spülmittel und Zitronensaft aus den Augen. »Danach bist du dran«, versprach Pam Hero, der sie und den Schäferhund teilnahmslos ansah.
Drei Minuten später stürzte der American-Airlines-Flug Nummer 77 in das Pentagon, worauf eine riesige Rauchfahne emporstieg; zwei Minuten danach evakuierte man das Weiße Haus. »Ach du dickes Ei!«, sagte Sixpack zu den Hunden. »Sieht immer mehr so aus, als wäre da
offenbar
ein terroristischer Anschlag im Gange, was meint ihr?«
Sie hielt gerade Heros Kopf auf dem Schoß und wusch seine Augen aus, als um 10 Uhr 05 der Südturm des World Trade Center einstürzte. Nachdem der Turm auf die Straßen gekracht war, trieb eine immer größer werdende Wolke aus Staub und Schutt von der Einsturzstelle fort; Menschen rannten durch die Staubschwaden.
Fünf Minuten später stürzte ein Teil des Pentagons ein - zum gleichen Zeitpunkt, als der ebenfalls entführte Flug Nummer 93 der United Airlines im Somerset County, Pennsylvania, südöstlich von Pittsburgh, zu Boden krachte. »Ich frage mich, wohin der wohl unterwegs war, Hero«, sagte Sixpack zu dem Hund.
Der Deutsche Schäferhund hatte sich hinter Pams Rücken geschlichen, und Hero wurde unruhig, weil er ihn nicht mehr sah; das wiederum ließ Sixpack aufmerken. Rasch griff sie nach hinten, bekam eine Handvoll Haut mit Fell zu fassen und drückte zu, so fest sie konnte, bis sie den Schäferhund aufjaulen hörte und spürte, wie der Hund sich losriss.
»Wehe, du schleichst dich noch mal an mich ran!«, sagte Sixpack, als der Schäferhund sich durch die Hundetür hinaus in den Zwinger verzog.
Als Nächstes wurde im Fernsehen bekanntgegeben, dass das Gebäude der Vereinten Nationen geräumt worden war - ebenso wie das Außen- und das Justizministerium sowie die Weltbank. »Wie's aussieht, rennen die ganzen wichtigen Kerle los und bringen sich in Deckung«, sagte Sixpack zu Hero. Der Hund musterte sie misstrauisch, als grüble er über ihr widersprüchliches Verhalten nach: Zuerst streicht sie mir eine eklige gelbe Schmiere auf die Wunden, dann spritzt sie mir dieses beißende, brennende Zeug in die Augen, und am Schluss versucht sie, es wieder abzuwischen - und, ach ja, wo steckt eigentlich
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