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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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keine Menschenseele gewesen, und die Tür des Tanzsaals hatte sich kein einziges Mal geöffnet. Jetzt konnten sie nicht mehr zurück zum Kochhaus.
    Danny parkte den Pontiac am Fuß der zu Pams Apartment führenden Außentreppe. Der Junge stieg ins Fahrerhaus und quetschte sich zwischen die arme tote Jane und seinen Vater. Da war die fehlende Baseballmütze - Danny hatte sie auf dem Kopf.
    »Wir müssen doch Häuptling Wahoo bei ihr lassen, oder?«, fragte der Zwölfjährige.
    »Guter Junge«, sagte sein Dad, dem vor Stolz und Angst ganz warm ums Herz wurde. Bei seinem Plan B gäbe es für einen Zwölfjährigen so viel, woran er denken müsste.
    Der Koch brauchte die Hilfe seines Sohnes, um Indianer-Jane aus dem Fahrerhaus des Pick-ups bis zu Constable Carls Küchentür zu schaffen, die laut Jane nie verschlossen war. Janes Füße konnten dabei ruhig durch den Schlamm schleifen, denn der Constable würde nichts anderes erwarten, als dass Jane mit dreckigen Stiefeln nach Hause kam. Sie durfte nur nicht anderswo an den Boden kommen. Die Sackkarre hätte natürlich im Schlamm Radspuren hinterlassen - und was hätte Dominic anschließend mit dem Ding gemacht? Sie in Janes Pick-up oder vor Constable Carls Tür stehenlassen?
    Sie fuhren in den tristen Ortsteil beim Sägewerk, wo auch die bei den frankokanadischen Wanderarbeitern beliebten Absteigen lagen. (Constable Carl wohnte gern nahe bei seinen Lieblingsopfern.) »Was schätzt du, was Ketchum wiegt?«, fragte Danny, nachdem sein Dad Janes Pick-up an dessen üblichem Platz geparkt hatte. Vater und Sohn standen nebeneinander auf dem Trittbrett des Trucks; Danny hielt Jane auf dem Beifahrersitz aufrecht, während sein Vater erst einmal Janes steifer werdende Beine aus der offenen Beifahrertür bugsierte. Doch wie weiter, nun, da ihre Füße auf dem Trittbrett standen?
    »Ketchum wiegt zirka hundert, hundertfünf Kilo«, sagte der Koch.
    »Und Sixpack?«, fragte Danny.
    »Pam wiegt schätzungsweise etwa achtzig, aber höchstens 82 Kilo«, antwortete der Koch, der wegen Sixpacks Würgegriff noch etwa eine Woche lang einen steifen Nacken haben würde.
    »Und was wiegst
du?«,
fragte Danny.
    Dominic begriff, worauf diese Befragung hinauslief. Er ließ Indianer-Janes Füße in den Schlamm hinab, stellte sich dann neben sie auf den nassen Boden und hielt ihre Hüften, während Danny (der noch auf dem Trittbrett stand) ihr unter die Arme griff. Wir werden noch beide im Schlamm landen, mit Jane auf uns drauf!, dachte Dominic, sagte aber so beiläufig wie möglich:
    »Och, hab keine Ahnung, was ich wiege - vermutlich so um die achtundsechzig.« (In Winterklamotten brachte er knapp Sechsundsechzig Kilo auf die Waage, achtundsechzig hatte er noch nie gewogen.)
    »Und Jane?«, ächzte Danny und stieg von dem Trittbrett des Pick-ups auf den Boden. Vater und Sohn standen bereit, als die Leiche der Tellerwäscherin in ihre Arme sank. Janes Knie knickten ein, berührten aber den Schlamm nicht. Und der Koch und sein Sohn hatten zwar Mühe, Jane zu halten, doch sie fielen nicht hin.
    Indianer-Jane wog mindestens 135 Kilo - vielleicht sogar 140 oder 145 -, obwohl Dominic Baciagalupo das lieber nicht so genau wissen wollte. Der Koch rang nach Luft, während er die Frau, deren »Galan« er gewesen war, zur Küchentür ihres fiesen Freundes schleppte; es gelang ihm, seine Stimme einigermaßen unbeteiligt klingen zu lassen, als er seinem Sohn zuflüsterte: »Jane? Och, Jane wiegt ungefähr genauso viel wie Ketchum, vielleicht ein bisschen mehr.«
    Zu ihrer Überraschung war Constable Carls Küchentür nicht nur unverschlossen, sondern stand offen. (Vielleicht war der Wind schuld - oder der Cowboy war beim Nachhausekommen so sturzbetrunken gewesen, dass er die Tür versehentlich offen ließ.) Das Rechteck, das sie von dem Küchenfußboden sehen konnten, glänzte feucht vom Nieselregen, der inzwischen eingesetzt hatte. Die Küche war schwach erleuchtet, mindestens eine Lampe brannte also, doch jenseits der Küche konnten sie nichts erkennen.
    Als Janes Füße den Küchenboden berührten, war Dominic zuversichtlich, die restlichen Meter allein bewältigen zu können; dass ihre Stiefel schlammig und der Fußboden feucht war, kam ihm entgegen. »Mach's gut, Daniel«, flüsterte der Koch seinem Sohn zu. Statt ihm einen Kuss zu geben, nahm der Zwölfjährige Janes Baseballmütze vom Kopf und setzte sie seinem Vater auf.
    Dannys Schritte auf der schlammigen Straße verklangen, und der Koch schob Janes

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