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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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aber er sagte es dennoch: »Uns fehlt die Zeit.«
    Einem langsam dahinrollenden Leichenwagen gleich nahm der weinrote Semiwoodie die Holzabfuhrstraße aus dem Ort. Während sie in südsüdöstliche Richtung davonfuhren (manchmal in Sichtweite des Twisted River), graute schon der Morgen. Am Pontook-Stausee würde sie der Damm erwarten. Danach würden sie auf der Route 16 weiterfahren, die in Nord-Süd-Richtung am Androscoggin River entlang verlief.
    Wie viel
Zeit genau ihnen blieb, hing davon ab, was sie gleich am Dead-Woman-Damm finden würden - und wie lange sie sich dort aufhalten müssten. (Nicht zu lange, hoffte Dominic beim Fahren.)
    »Werden wir es jemals Ketchum erzählen?«, fragte Danny seinen Dad.
    »Aber ja«, antwortete der, auch wenn er keine Ahnung hatte, wie er Ketchum diese Nachricht zukommen lassen sollte - auf ebenso sichere wie unmissverständliche Weise.
    Der Wind hatte sich inzwischen gelegt, und der Regen ließ nach. Der von anderen Reifen zerfurchte Schlamm machte die Holzabfuhrstraße vor ihnen glitschig, doch jetzt ging die Sonne auf. Sie schien durch die Scheibe auf der Fahrerseite und erlaubte Dominic Baciagalupo einen strahlenden (wenn auch unrealistischen) Blick in die Zukunft.
    Nur wenige Stunden zuvor hatte sich der Koch noch Sorgen gemacht, was passieren würde, wenn sie Angels Leiche fänden - vor allem, wie sein geliebter Sohn Daniel auf den Anblick des toten Kanadiers reagieren würde. In der Zwischenzeit hatte der Zwölfjährige seine Lieblingsbabysitterin getötet, und Vater und Sohn hatten sich mit ihrem Leichnam abgeplagt und Indianer-Jane die nicht unbeträchtliche Strecke vom Obergeschoss des Kochhauses zu ihrer fast endgültigen Ruhestätte bei Constable Carl befördert.
    Was auch immer der Koch und sein geliebter Sohn am Dead-Woman-Damm finden mochten, dachte Dominic voller Optimismus, wie schlimm könnte es schon sein? (Gestresst, wie er war, hatte der Koch die besagte Örtlichkeit in Gedanken ausnahmsweise bei diesem schrecklichen Namen genannt.)
     
    Als sich der Chieftain dem Pontook-Stausee näherte, sahen Dominic und Danny die Möwen. Auch wenn der Stausee fast zweihundert Kilometer vom Meer entfernt lag, waren um den Androscoggin River herum immer Möwen - es war ein großes Gewässer.
    »In meiner Klasse ist ein Junge, der Halsted heißt«, sagte Danny ängstlich.
    »Ich glaube, ich kenne seinen Vater«, sagte der Koch.
    »Sein Dad hat ihm ins Gesicht getreten, obwohl er noch seine Flößerstiefel mit Nagelsohlen anhatte - jetzt hat der Junge Löcher in der Stirn«, berichtete Danny.
    »Das war garantiert der Halsted, den ich kenne«, antwortete Dominic.
    »Ketchum sagt, man müsste Halsted - also dem Vater – ein Sägemehlgebläse in den Arsch stecken und gucken, ob sich der Drecksack aufpusten lässt.«
    »Ketchum empfiehlt das Sägemehlgebläse für eine ganze Reihe Arschlöcher«, sagte der Koch.
    »Bestimmt wird uns Ketchum irre fehlen.« Der Junge klammerte sich an sein Thema.
    »Bestimmt«, pflichtete sein Vater bei. »Irrsinnig.«
    »Ketchum sagt, Hemlocktanne kriegt man im Leben nicht trocken.« Danny redete immer weiter. Der Zwölfjährige war offensichtlich nervös - nicht nur wegen des Dead-Woman-Damms, sondern weil er nicht wusste, wohin sie
danach
fuhren.
    »Hemlockbalken eignen sich gut für Brücken«, konterte Dominic.
    »Befestige dein Lastgeschirr möglichst dicht an der Last«, zitierte der Junge aus dem Gedächtnis und ohne ersichtlichen Grund. »Success Pond ist der größte verdammte Biberteich weit und breit«, fuhr Danny fort.
    »Willst du jetzt auf der Fahrt nur noch Ketchum zitieren?«, fragte ihn sein Dad.
    »Auf der Fahrt
wohin?«,
fragte der Zwölfjährige ängstlich.
    »Das weiß ich noch nicht, Daniel.«
    »Hartholz schwimmt nicht sehr gut«, sagte der Junge so dahin.
    Stimmt, aber Weichholz liegt ziemlich
hoch
im Wasser, dachte Dominic Baciagalupo. Bei der Trift, in der Angel untergegangen war, hatten Weichhölzer im Fluss gelegen. Und durch den Wind in der vergangenen Nacht waren womöglich einige der oberen Stämme abgetrieben worden und sammelten sich jetzt außerhalb der schwimmenden Sperre in den Überläufen zu beiden Seiten der Staumauer. Die Irrläufer, vor allem Fichten- und Kiefernstämme, würden die Aufgabe erschweren, Angel aus dem strudelnden Wasser zu holen. Der Staudamm hatte nicht nur eine zweite, höher gelegene Uferlinie (eine Hochwasserlinie), sondern auch den Sägewerksteich geschaffen; mit etwas Glück würden

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