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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Kaff
überdauern,
Cookie - du mit Danny.« Doch der Koch und sein Sohn waren schon zum Chieftain unterwegs. »Wenn ihr jetzt davonlauft, werdet ihr ewig davonlaufen!«, rief Ketchum ihnen nach. Er humpelte um seinen Truck herum, von der Beifahrer- zur Fahrerseite.
    »Warum humpelst du?«, rief der Koch ihm zu.
    »Scheiße«, antwortete Ketchum. »In Sixpacks Treppe fehlt eine Stufe, und ich Trottel hab's vergessen.«
    »Pass auf dich auf, Ketchum«, sagte Dominic noch.
    »Du auch, Cookie«, sagte Ketchum. »Ich frag nicht wegen deiner Lippe, die Sorte Verletzung kenne ich.«
    »Übrigens war Angel kein Kanadier«, klärte Danny Baciagalupo Ketchum auf. »Eigentlich hieß er Angelù Del Popolo, und er kam aus Boston, nicht aus Toronto.«
    »Dann fahrt ihr vermutlich dorthin?«, fragte Ketchum die beiden. »Nach Boston?«
    »Angel hatte bestimmt eine Familie - jemand von denen muss doch erfahren, was ihm zugestoßen ist«, sagte der Koch.
    Ketchum nickte. Als er durch die Windschutzscheibe seines Pick-ups auf den aufrecht dasitzenden und nach vorn blickenden Angelù Del Popolo sah, wirkte der Junge im fahlen Sonnenlicht nicht nur lebendig, sondern so, als würde das Abenteuer seines Lebens erst beginnen und nicht schon zu Ende sein.
    »Angenommen, ich sage Carl, dass ihr Angels Familie die traurige Nachricht überbringt? Ihr habt doch das Kochhaus nicht so verlassen, als wärt ihr ein für alle Mal verschwunden, oder?«, fragte Ketchum.
    »Wir haben nichts mitgenommen, was jemandem auffallen würde«, sagte Dominic. »Man könnte meinen, wir kämen wieder.«
    »Angenommen, ich erzähle dem Cowboy, ich sei überrascht, dass Indianer-Jane nicht bei euch war?«, fragte Ketchum. »Ich könnte sagen, an Janes Stelle wäre ich auch nach Kanada gefahren.« Danny merkte, wie sein Dad darüber nachdachte, ehe Ketchum fortfuhr: »Ich werde natürlich nicht verraten, dass ihr nach Boston gefahren seid. Vielleicht sollte ich besser sagen: >Ich an Janes Stelle wäre nach
Toronto
gefahren<. Was hältst du
davon?«
    »Egal, was du sagst, sag bloß nicht zu viel«, schärfte ihm der Koch ein.
    »Ich glaube, wenn ich an ihn denke, dann immer noch als >Angel<, wenn das okay ist«, sagte Ketchum, als er in seinen Pick-up stieg. Er warf einen kurzen Blick auf den toten Jungen und schaute rasch wieder weg.
    »In meinen Gedanken bleibt er
immer
>Angel    Inwieweit sich ein Zwölfjähriger klar ist, dass ein Abenteuer begonnen hat - und inwieweit dieses unselige Abenteuer schon lange Zeit zuvor begonnen hatte, ehe Danny Baciagalupo Indianer-Jane mit einem Bären verwechselte -, konnten weder Ketchum noch der Koch sagen, allerdings wirkte Danny ausgesprochen »klar«. Ketchum wusste sehr wohl, dass er die beiden vielleicht zum letzten Mal sah, und er wollte dieser riskanten Phase des Abenteuers, auf das sich der Koch nun einließ, etwas Positives abgewinnen. »Danny!«, rief Ketchum. »Du musst wissen, dass auch ich Jane schon mal mit einem Bären verwechselt habe, und zwar mehr als einmal.«
    Doch Ketchum war keiner, der sich lange mit Positivem aufhielt. »Vermutlich hatte Jane nicht die Häuptling-Wahoo-Mütze auf, als es passierte«, sagte der Holzarbeiter zu Danny.
    »Nein, hatte sie nicht«, antwortete der Zwölfjährige.
    »Verdammt, Jane - so ein Mist!«, rief Ketchum. »Jemand in Cleveland hat mir erzählt, die Mütze bringt Glück«, erklärte der Flößer dem Jungen. »Der Kerl sagte, Häuptling Wahoo sei eine Art Schutzgeist für Indianer.«
    »Vielleicht beschützt er ja jetzt Jane«, sagte Danny.
    »Verschon mich mit religiösen Sprüchen, Danny - behalt die Indianerin einfach so in Erinnerung, wie sie war. Jane hat dich wirklich geliebt«, sagte Ketchum dem Zwölfjährigen. »Halt sie in deiner Erinnerung in Ehren - mehr kannst du nicht tun.«
    »Du fehlst mir schon jetzt, Ketchum!«, rief der Junge plötzlich.
    »Oh, Scheiße, Danny... ihr haut jetzt am besten ab, falls ihr abhauen wollt«, sagte der Flößer.
    Dann ließ Ketchum den Motor an, bog auf die Abfuhrstraße in Richtung Twisted River und ließ den Koch und seinen Sohn ihre im Vergleich zu seiner sehr viel längere und ungewissere Fahrt antreten - in ihr nächstes Leben, immerhin.
     

TEIL II
BOSTON 1967

5 - Pseudonym
    Seit Constable Carl über die Leiche der indianischen Tellerwäscherin stolperte, waren fast genau 13 Jahre vergangen (eine Unglückszahl), und nicht einmal Ketchum wusste, ob der Cowboy den Koch und dessen Sohn im Verdacht hatte, die

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