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Letzte Nacht

Letzte Nacht

Titel: Letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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habe.
    «Wir sollten die Polizei verständigen.»
    «Wozu?», fragt Ty. «Die unternimmt doch sowieso nichts.»
    «Wegen der Versicherung.»
    «Bringt nichts – ist doch Glas. Wir sollten Fredo einfach in den Arsch treten. Du hast doch seine Telefonnummer, nicht?»
    «Wir sollten das irgendwie abdecken.»
    «Hast du seine Nummer?»
    «Ich weiß nicht genau, ob sie noch stimmt.»
    «Gib sie mir, dann finden wir’s raus. Dieser blöde Frito.  Ich weiß überhaupt nicht, warum du den eingestellt hast.»
    Nach allem, was passiert ist, kann Manny ihn schwer lich verteidigen. «Ich auch nicht.»

    Als der erste Schock verflogen ist, schließen sie ihre Wagen auf und beseitigen die Scherben und den Schnee.
    Damit hat Manny Erfahrung. Als seine Großmutter noch lebte, wurde ihr Wagen dreimal gestohlen, direkt aus der Einfahrt – bloß Jugendliche, die eine Spritztour machten –, und Manny wurde Fachmann im Fensterabdichten mit Müllsäcken und Pappe. Die Windschutzscheibe ist etwas anderes, aber er muss ja heute Abend irgendwie heimkommen. Er weiß, dass im Lagerschrank in einem Brotkorb aus Plastik eine Rolle Klebeband und ein Teppichmesser liegen, und schon geht er zur Hintertür, dankbar, mit der Lösung eines Problems beschäftigt zu sein.
    Dom sieht ihn in der Küche und trottet hinter ihm her in den Lagerraum. Es ist schon nach halb fünf. «Und was ist jetzt mit dem Abendessen?»
    «Wir öffnen.»
    Dom bleibt stehen und lässt ihn weitergehen.
    Manny spürt ihn hinter sich lauern und dreht sich um.
    Eingerahmt von den Regalen, steht Dom da und starrt Manny an, als wäre er wahnsinnig. «Wenn du nicht willst, brauchst du nicht zu bleiben. Ich glaube nicht, dass besonders viel los sein wird.»
    «Da dürftest du recht haben.»
    «Ist deine Entscheidung. Wenn du gehen willst, sag mir einfach Bescheid.»
    «Ich würde gern jetzt gehen, wenn das okay ist.»
    «In Ordnung», sagt Manny und geht auf ihn zu. «Danke, dass du gekommen bist. Ich weiß das zu schätzen.»
    «Kein Problem», sagt Dom. «Wenn nicht so ein Unwetter wäre . .»
    «Ich versteh schon», sagt Manny und ergreift seine Hand. «Lass dir von Roz und Jacquie dein Trinkgeld geben.»
    «Hab ich schon.»
    «Okay», sagt Manny, «mach’s gut», und obwohl dieser Abschied glatter über die Bühne zu gehen scheint als bei Kendra, überlegt Manny, als er den Wandschrank öffnet und in den nach Mottenkugeln riechenden Regalen nach dem Brotkorb sucht, warum Dom gefragt hat. Wenn Manny gesagt hätte, dass er bleiben muss, hätte er dann einfach «Leck mich» gesagt und wäre gegangen? Und warum interessiert ihn das überhaupt?
    Das Klebeband liegt genau da, wo es sein sollte, aber das Teppichmesser ist weg, und er muss um den Pausenraum herumgehen und sich hinter Rich und Leron entlangschleichen, die sich das Spiel ansehen, um Kendras Schere vom Empfangspult zu stibitzen. Er braucht bloß einen einzigen Müllsack. Mit dem Sack in der Hand durchquert er gerade die Küche, als Roz aus dem Kühlraum kommt. Er sieht sie zu spät, weicht der Gefahr aber unwillkürlich aus.
    «Was hast du denn vor?», fragt sie und deutet mit einer Gabel auf seine Sachen. Sie isst ein zweites Stück Kuchen  – ihre Version eines Mittagessens.
    In der Hoffnung, ihr zu entwischen, geht er weiter.
    «Kaputte Fensterscheibe.»
    «Wo?», fragt sie verwirrt, weil es in der Küche gar keine Fenster gibt.
    «An meinem Wagen.»
    «Was denn, ist ein Baum draufgestürzt?»
    Inzwischen ist er am Ende der Kochzeile angelangt und biegt ab zur Hintertür. Er winkt. «Schon in Ordnung, mach dir keine Gedanken.»

    Er hat den Parkplatz schon halb überquert, als er sie von der Laderampe rufen hört: «Was ist denn passiert?»
    «Siehst du nicht, was dieser bescheuerte Frito angerichtet hat?», brüllt Ty mit ausgebreiteten Armen.
    Danach müssen sich alle die Sache ansehen. Wie bei einem Unfall scharen sie sich um die beiden Wagen, Roz und Jacquie in ihren Mänteln, während Rich und Leron die Besichtigung in Hemdsärmeln durchstehen, mal fluchend, mal grinsend – vermutlich halb aus Mitleid und halb aus Bewunderung für Fredos Mumm. Manny hat nur zwei Hände, und es ist überall so nass, dass man nichts hinlegen kann, also nehmen Roz und Jacquie das Klebeband. Rich richtet eine Taschenlampe auf die Scheibe, und Leron reicht Ty ein viereckiges, aus einem Dewar’s‐Karton ausgeschnittenes Stück Pappe. Während Manny die Pappe über das Loch in der Windschutzscheibe des Supra klebt, wird ihm

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