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Letzte Nacht

Letzte Nacht

Titel: Letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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und Manny will einen letzten Blick auf den Karton hinterm Müllcontainer werfen, also bringt er freiwillig den Abfall raus. Von all dem Essen ist der Sack besonders schwer und spannt sich, und als Manny über den Parkplatz watschelt, hat er Angst, er könnte zerreißen. Scheppernd öffnet er die Seitenklappe, drückt den Sack rein wie einen Medizinball und steht dann schwer atmend, mit verkrampften Händen in der Dunkelheit. Die Kälte tut ihm gut. Am Zaun sind seine Fußspuren die letzten – den Karton hat keiner angerührt.
    Er drückt ihn platt und zwängt die Pappe durch die Seitenklappe, schlägt dann das Maschendrahttor zu, sorgt dafür, dass es nicht zurückprallt, und schließt ab. Dom hat lange für ihn gearbeitet, und obwohl Manny weiß, dass er nicht der einzige Barkeeper ist, der schon mal Schnaps gestohlen hat, hätte er das Empfehlungsschreiben für ihn gern zurück.
    Leron hat nie um eins gebeten, doch er ist immer noch da und wischt mit Rich den Boden, während im Radio «Hard Knock Life» von Jay‐Z läuft. Jetzt, wo die Geschirrspülmaschine und der Grill aus sind, findet Manny die Musik zu laut, aber er sagt nichts. Er geht vorsichtig durch den Lagerraum, um nicht auf den nassen Fußboden zu treten. Auf der anderen Seite streckt er den Kopf vor, um die Kaffeetheke zu kontrollieren, holt dann die drei Flaschen, schirmt sie mit dem Körper ab, als er im hinteren Flur verschwindet, und steckt sie sofort in eine Tüte, damit niemand auf falsche Gedanken kommt. Auf der Theke neben der Stechuhr überträgt er die Zahlen von dem Powerball‐Schein auf fünf Klebezettel und schreibt auf jeden einen beliebigen Namen – nur bei Jacquie achtet er darauf, dass es ihr eigener ist.
    Der Uhr zufolge dauert es nur noch sieben Minuten, bis sie reich sind.
    «Wischt einfach nass durch», sagt er zu den beiden Jungs, und sie starren ihn mit übertriebenem Erstaunen an. «Und kommt nach vorn, wenn ihr fertig seid. Ich hab eine Überraschung für euch.»
    Jacquie, Roz und Ty sitzen schon auf Hockern, nippen an Eisdrinks und sehen sich die Höhepunkte des UConn-Spiels an. Manny gleitet hinter die Theke, als wollte er sie bedienen, und sieht, dass Jacquie ihren Diamantstecker wieder trägt.
    «Was hast du da?», fragt Ty.
    Als er die Tüte abstellt, klirren die Flaschen. «Weihnachtszulage.»
    «Für wen?»
    «Wer arbeitet hier am härtesten?»
    «Das war doch nicht nötig gewesen», sagt Roz und streckt die Hand aus.
    «Tut mir leid», sagt Manny und weist sie ab, «du hast deine Zulage schon in der Hand.»

    In den Nachrichten bieten sie einen letzten Blick aufs Wetter. Es soll noch in der Nacht aufhören zu schneien –  perfektes Timing.
    Es ist 22:55 Uhr, während des Wortgeplänkels der Nachrichtensprecher wird es 22:56 Uhr.
    Als Leron und Rich aus dem Pausenraum geschlendert kommen, ist es 22:57 Uhr. Ohne ihre Schürzen sehen sie seltsam aus, als wären sie gerade von der Straße reingekommen. Manny sagt ihnen, dass sie sich eine der drei Flaschen aussuchen können und stellt sie auf die Theke wie die Preise auf einem Rummelplatz. Leron lacht – «In Ordnung» – und schüttelt den Kopf, als wäre das Ganze ein schlechter Witz.
    «Ich verrat euch nicht, wo ich die herhab. Sagen wir einfach, wenn ihr Dom das nächste Mal seht, solltet ihr euch bei ihm bedanken.»
    Leron lässt Rich den Vortritt. Er entscheidet sich für den Tequila. Leron nimmt den Gin.
    «Irgendwelche Interessenten?», fragt Manny und zeigt allen den Hennessy. Schließlich greift Ty zu.
    «Und», sagt Manny, «wer von euch würde jetzt gern dreihundert Millionen Dollar gewinnen?»
    «Augenblick noch», sagt Roz.
    Feierlich verteilt er die Klebezettel. Die Nachrichten sind endlich vorbei, kein Abspann, nur das Fox‐Copyright. Manny dreht sich zum Fernseher um und denkt, dass es nicht viel sein muss, bloß hundert Dollar oder fünfunddreißig oder fünf. Bloß ein Gewinn, damit der Abend richtig endet.
    Eine Frau in mittlerem Alter macht Werbung für ein örtliches Matratzengeschäft.
    «Zwecklos», sagt Ty.

    Als Nächstes ein langer Werbespot für einen Funknetzbetreiber.
    «Das ist albern», sagt Jacquie. «Weißt du, wie da die Chancen stehen?»
    «Sechsunddreißig zu eins», erwidert Manny. «Nicht für den Hauptpreis, aber um irgendwas zu gewinnen.»
    Der Fernseher verspricht, dass ihnen die neuen Beilagen bei Boston Market schmecken werden.
    «Zeigt einfach die verdammte Zahl», sagt Ty, während die billige Grafik für die Ziehung

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