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Letzte Nacht

Letzte Nacht

Titel: Letzte Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stewart O'Nan
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über den Bildschirm spült.
    «Hier kommt das einzigartige Powerball», tönt der Ansager, «jetzt noch größer und noch besser als je zuvor! Hallo allerseits, ich heiße Mike Pace. Es stimmt: Unser Jackpot beträgt heute Abend geschätzte dreihundertfünfundzwanzig Millionen Dollar, und bei Powerball gibt es mehrere große Gewinnmöglichkeiten, unter anderem die Chance, bei Power Play eine Milliarde Dollar zu gewinnen. Heute heißt der Multiplikator zwei, die Zwei ist heute Abend der Multiplikator ...»
    Die Kugeln wirbeln schon herum wie Wäschestücke in einem Trockner, sie stoßen zusammen, rollen durcheinander und fallen auf eine schmale Plexiglasschaufel. Die erste Zahl ist die 13.
    «Scheiße», sagt Rich.
    «Das ist doch bloß eine», sagt Manny. «Man muss nicht alle richtig haben.»
    «Müssen sie in der richtigen Reihenfolge kommen?», fragt Roz.
    «Die werden von der kleinsten zur größten geordnet», erwidert Manny.
    «Dann also nicht», sagt Jacquie.

    «Sehen Sie sich Ihre Scheine genau an», lautet die Aufforderung des Ansagers. «Wir haben die 19 und dann die 50 ...»
    Die 50 hat keiner von ihnen, denkt Manny und ärgert sich, dass alles so schnell geht. Und die 23 kann er vergessen.
    «. . und die letzte weiße Kugel ist die 41. Also los, jetzt geht’s um über dreihundert Millionen, und der Powerball ist die 13, 13 ist ...»
    Und schon ist das Ganze vorbei, und der Mann verabschiedet sich mit dem gleichen schnellen Geplapper wie bei der Begrüßung.
    «Also, ich hab nichts», sagt Roz.
    «Ich hab die 19», ruft Rich.
    «Verdammt», sagt Ty und knüllt seinen Klebezettel zusammen.
    «Was ist mit dir?», fragt Manny Jacquie. «Hast du irgendwas richtig?»
    «Nein.»
    Leron schnippt seinen Zettel einfach die Theke entlang.
    «Hey», sagt Manny, «wir haben’s probiert. Hoffentlich hatte Eddie mehr Glück als wir.»
    «Schlechter kann’ s ja nicht gelaufen sein», erwidert Ty.
    «Hey», sagt Roz, «du hast wenigstens eine Flasche Schnaps gekriegt.»
    Manny schaltet den Fernseher aus, nicht um die Runde aufzulösen, aber genau das passiert.
    «Ich kümmere mich um die Drinks», sagt er, doch Roz hat sich schon ein Tablett geschnappt, und er muss noch das Schild am Highway ausschalten, denn es ist bereits nach elf.

    Während die anderen ihre Stechkarten stempeln, geht er die Checkliste in umgekehrter Reihenfolge durch. Aus Sicherheitsgründen dürfen Geschäftsführer das Restaurant weder durch die Hintertür noch allein verlassen. Der Küchenfußboden ist noch nicht ganz trocken, deshalb tritt er vorsichtig auf, schaltet die Geschirrspülmaschine und das Radio aus und vergewissert sich, dass die Hintertür verschlossen ist. Aus Gewohnheit schnuppert er nach Gas, als er am Grill vorbeikommt, kontrolliert kurz die Kühlvitrine und den Kühlraum und schnappt sich die Tüte mit dem Weihnachtsschmuck und seinem Leuchtturmglas.
    Sie warten im Pausenraum auf ihn – Ty sieht in seiner zerschlitzten Jacke aus wie Mannys Zwillingsbruder, Leron schiebt sich die Mütze genau über die Ohren, als würde man das gerade so tragen. Manny weiß noch, wie Jacquie in diesem Mantel mal mit ihm Schlittschuh laufen ging, wie der wuschelige Kunstpelz der Kapuze ihn am Kinn kitzelte und er seine kalte Nase in ihrem warmen Nacken vergrub. Sie schrie und zahlte es ihm auf dieselbe Weise heim.
    «Habt ihr alles?», fragt Manny.
    «Sieht so aus, als hättest du dir was unter den Nagel gerissen», sagt Roz, und er hält die Tüte auf, um ihr den Inhalt zu zeigen.
    «So was bringst auch nur du fertig.»
    «Was ist es denn?», fragt Rich.
    «Plunder», sagt sie.
    Nacheinander verlassen sie den Raum, und Manny, der als Letzter geht, macht alle Lichter aus. Am Eingang bleiben sie stehen, um sich einzumummeln, während er in der Bar und dann im Speiseraum eine Lampe nach der anderen ausknipst, bis sie im Dunkeln stehen. Hinter ihnen plätschert das Aquarium, während der Wind Schnee über den Weg peitscht. Er knipst die Außenlampen aus, späht zur Sicherheit nochmal durch die Tür und scheucht dann alle nach draußen, damit er die Alarmanlage einschalten kann. An der Wand schimmert der geschwungene Bauch des Schwertfischs, und Manny muss sich ins Gedächtnis rufen, dass er nicht zum letzten Mal im Lobster ist, auch wenn es ihm so vorkommt.
    Er beeilt sich, weil er nicht will, dass Rich und Leron einfach abhauen. Sie fahren schon los, über den Parkplatz in Richtung Einkaufszentrum und Bushaltestelle, und Manny, dem die

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