Letzte Rache: Thriller (German Edition)
eines zufriedenen Lieferanten; eine Belohnung für Jerome, weil er sein Umsatzziel für das erste Vierteljahr übertroffen hatte. Der Lieferant – ein albanischer Menschenschmuggler, der ins Drogengeschäft diversifizierte – hatte auch zwei Magazine mit Munition als Zugabe beigelegt. Jerome hatte nicht gewusst, dass er ein Umsatzziel hatte, vierteljährlich oder sonst wie, aber er war von dem Geschenk entzückt. Er hatte noch nie eine Schusswaffe besessen, und er war nicht sicher, was er damit machen sollte.
Aber er wusste, dass er irgendwas damit machen würde.
An seinen Maßstäben gemessen, hatte Jerome sich ernsthaft Gedanken darüber gemacht. So wie er es sah, hatte es keinen Sinn, die Waffe zu besitzen, wenn man sie nicht dazu benutzte, jemanden zu erschießen. Aber wen? Im Augenblick war es jedenfalls genug, sie einfach in der Hand zu halten. Weil er nur ein Nickelback-T-Shirt und eine rubinrote Adidas-Turnhose anhatte, zitterte er in der Abendluft. In dem Halbdunkel oberhalb der orangefarbenen Straßenlaternen konnte er die Gänsehaut auf seinen Armen sehen, aber die Kälte wurde aufgehoben durch das überwältigende Gefühl von Macht, das von der Glock ausging, während er sie fest mit der Hand packte. Er steckte die freie Hand in die Hose, kratzte sich energisch an den Eiern und spürte ein Kribbeln im Schritt. Er bekam doch tatsächlich eine halbe Latte von der Glock, und dabei hatte er noch nicht mal damit geschossen. »O Mann!«, stöhnte er. »Das muss unbedingt hinhauen, muss es einfach …«
Eric Christian, einer von Jeromes wichtigsten Partnern, mit dem er seit ihrem zweiten Jahr an der in der Nähe gelegenen Grundschule Gospel Oak befreundet war, stolperte durch die Tür auf das Dach hinaus. Ihm folgten zwei Mitläufer, die das Ende einer Party nicht erkannten, wenn sie es vor sich sahen. Eric schaute Jerome an und grinste. »Pass auf, dass du nicht geradewegs vom Dach fällst, Mann«, sagte er schleppend und versuchte gleichzeitig – und vergeblich –, einen großen Joint mit einem Harley-Davidson-Feuerzeug anzuzünden.
»Keine Sorge, Dude.« Jerome grinste. Er senkte die Pistole auf Augenhöhe, ergriff sie mit beiden Händen und zielte auf Eric.
Erics Augen weiteten sich, und der Joint fiel ihm aus dem Mund. »Booaahh, Maaann!«, sagte er gedehnt und bemühte sich, das nervöse Lachen aus seiner Stimme zu verbannen. »Sag mir nicht, dass dieses Ding geladen ist.«
»Nee.« Jeromes Blick ging ins Leere. Er zog die Pistole an seine Brust und richtete den Lauf in den Himmel wie ein Mann, der an einem Duell alten Stils teilnehmen möchte. »Ich hab das Magazin vorhin rausgenommen. Es ist irgendwo unten.«
Die Musik unter ihnen erreichte ein Crescendo. Jerome begann wieder zu tanzen und richtete die Glock auf die beiden anderen Typen, die sich zu ihnen gesellt hatten. Jetzt erinnerte er sich an sie. Sie waren Abschaum: Manchmal erledigten sie kleine Jobs für ihn, manchmal waren sie Abnehmer. Beide sahen so aus, als würden sie sich gleich in die Hose machen; einer hielt sogar die Hände hoch, wie sie es auch in den Filmen machten. Jerome fand das saukomisch und brach in Gelächter aus – wenn die Pistole geladen gewesen wäre, hätte er vielleicht glatt den Abzug durchgedrückt. Er wandte sich wieder an Eric. »Wir müssen sie aber bald ausprobieren.«
»Klare Sache«, sagte Eric, der auch lachte. Er zog ein Handy aus seiner Gesäßtasche und begann, seinen Freund zu filmen. Er machte einen Schwenk über das Dach, zoomte dann Jerome heran, bevor er eine Nahaufnahme der Glock machte. »Ran an den Speck, Mann. Machen wir einen Film!«
Jerome schrie vor Entzücken. »Der hier ist für YouTube«, rief er in die winzige Kamera. »Wir kommen dich holen, Baby!«
»Du bist ein echter Kerl, Jerome«, rief einer der Verlierer.
»Ich bin ein Killer, Mensch!« Jerome trat näher an die Kamera heran und setzte sich die Waffe an den Kopf, wobei er wie ein Irrer grinste. »So machst du es, wenn du jemand abknallst!«, schrie er mit blitzenden Augen. »Einfach durchziiieeehn.« Sein Zeigefinger riss den Abzug zurück. Es gab einen gedämpften Knall, dann rollten seine Augen nach hinten. Einen Augenblick lang stand die Zeit still. Dann machte er immer noch mit der Waffe in der Hand einen kleinen Tanz zur Seite, bevor er über den Rand des Hauses trat und aus dem Blickfeld verschwand.
Eric stand da, hatte das Hintergrundgeräusch des Spätabendverkehrs in den Ohren und versuchte herauszubekommen, wie
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