Letzte Rache: Thriller (German Edition)
Stimme wieder, und sein Herz rutschte noch tiefer. Zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten hatte er es versäumt, den Anruf von seiner Mailbox annehmen zu lassen. »Ja?«
»Hier ist Rosanna Snowdon.«
Snowdon war Moderatorin bei den Lokalnachrichten der BBC in London. Ihre Wege hatten sich bei einem früheren Fall gekreuzt, und Carlyle schuldete ihr einen Gefallen, vielleicht sogar mehr als einen, nachdem sie ihm den Politiker Edgar Carlton vorgestellt hatte. Zwei Jahre zuvor, als er noch Oppositionsführer gewesen war, war Carlton in einen hässlichen kleinen Fall verwickelt gewesen, bei dem es um Vergewaltigung und Mord ging. Snowdon hatte es als Freundin der Familie Carlton ermöglicht, dass es zu einem ersten Kontakt zwischen dem Inspector und dem zukünftigen Premierminister kam. Später, als die ganze Sache ein unschönes, nicht eindeutiges Ende genommen hatte, hatte sie wahrscheinlich gerettet, was von Edgars Karriere übrig war, indem sie Carlyle daran gehindert hatte, die Geschichte an die Medien weiterzugeben.
Carlton, der von jedem Anflug eines Skandals weitgehend unberührt geblieben war, hatte es nach einem erdrutschartigen Wahlsieg geschafft, Premierminister zu werden. In der Zwischenzeit machte Snowdon stetige Fortschritte mit ihrer Medienkarriere. Außer ihrem Job bei den Lokalnachrichten moderierte sie inzwischen eine wöchentliche Sendung mit dem Titel London Crime , in der ungelöste Fälle im Umkreis der Hauptstadt rekonstruiert und die Zuschauer um Hinweise zu ihrer Aufklärung gebeten wurden. Vor einigen Monaten war einer von Carlyles Fällen Thema der Sendung gewesen, ein besonders brutaler Raubüberfall auf eine junge Mutter in Lincoln’s Inn Fields, der mit einer Reihe anderer Überfälle in der Umgebung von Holborn in Verbindung gebracht worden war. Snowdon hatte Carlyle gebeten, in der Sendung aufzutreten, aber es wäre ihm peinlich gewesen, im Fernsehen Menschen um Hilfe zu bitten, und deshalb hatte er Joe geschickt. Der Beitrag hatte siebzig Telefonanrufe zur Folge gehabt und keinen brauchbaren Hinweis. Der vergebliche Zeitaufwand der Polizei in diesem Zusammenhang war so groß gewesen, dass Carlyle nicht einmal daran gedacht hatte, ihn irgendwie zu berechnen.
Der Fall blieb natürlich ungelöst.
Carlyle war äußerst unwohl bei dem Gedanken, Snowdon einen Gefallen zu schulden. Soweit es ihn betraf, war sie eine Userin – eine Abzockerin, die jeden Fall, jedes Opfer als einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einem Job als Moderatorin von Promi-Sendungen im Staatsfernsehen, einem reichen Bankier als Ehemann und regelmäßiger Publicity im Magazin Hello betrachtete. Aber egal, wie wohl ihm dabei war, mit Sicherheit schuldete er ihr einen.
»Wie geht es Ihnen?«, fragte er und versuchte, etwas Interesse in seine Stimme zu legen.
»Ich habe mich gefragt, ob ich mit Ihnen etwas besprechen könnte«, sagte sie, ohne sich mit einer Einleitung abzugeben. »Vielleicht könnten wir zusammen einen Kaffee trinken?«
»Dabei geht es nicht um den Fall Mills, oder?«, erkundigte sich Carlyle vorsichtig. Er hatte nichts darüber in der Presse gesehen, aber das war nur eine Frage der Zeit.
»Was?«
»Nichts. Worum geht es denn dann?«
»Keine Sorge«, sagte sie ziemlich schroff, »es geht nicht um einen Ihrer Fälle. Aber mir wäre es lieber, wir würden direkt miteinander sprechen. Könnten Sie morgen früh um neun Uhr?«
Carlyle atmete tief ein. Er war neugierig herauszufinden, was Rosanna in solche Besorgnis versetzte. Was es auch sein mochte, es war zweifellos unterhaltsamer als sein ziemlich banaler Mordfall. Auf der anderen Seite bezahlte sie nicht sein Gehalt, und er musste dafür sorgen, dass der Fall Mills abgewickelt wurde. »Das wird kompliziert«, sagte er schließlich. »Jetzt ist keine besonders gute Zeit.«
»Bitte«, sagte sie mit Nachdruck, »es ist wirklich ziemlich wichtig. Es wird nur eine halbe Stunde dauern, und es wäre wirklich eine große Hilfe.« Es schwang echte Nervosität in ihrem Tonfall mit, die er nie zuvor gehört hatte. Das war nicht die übliche kokette Rosanna, bei der ihm immer etwas unbehaglich war. Ihrer üblichen Beschichtung ironischer Distanziertheit beraubt, klang ihre Stimme angespannt. Verglichen mit dem superselbstsicheren Alphaweibchen, das er gewohnt war, machte sie einen geradezu liebenswerten Eindruck.
»Nun ja …« Sein Interesse war geweckt. Vielleicht spielte sie ihm was vor, aber das glaubte er nicht. Falls sonst nichts, konnte ihn
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