Letzte Rache: Thriller (German Edition)
Blick schaute er tief in Pettigrews Augen, während er über ihm schwebte.
»Ich bin Dismas, dein Schutzengel«, sagte die Erscheinung.
Der Priester lächelte. Er wusste, dass Dismas der gute Schächer war, der mit Christus auf dem Kalvarienberg gekreuzigt worden war und ihn dann ins Paradies begleitet hatte. Dismas war der einzige Mensch, der von Jesus kanonisiert worden war. Er war außerdem der Patron verurteilter Verbrecher.
»Nimm mich mit dir«, sagte Pettigrew und schluchzte auf.
»Das kann ich nicht.« Dismas strich mit einer Hand über seinen zerzausten Bart und zeigte mit der anderen auf Pettigrews Körper, der unter ihnen auf dem Bett lag. »Du musst zurückgehen und dich der von dir verursachten Peinigung stellen.«
»A… aber dafür kann ich doch nichts!«, stammelte Pettigrew. »Wie kannst du so etwas sagen?«
»Mein Sohn«, sagte Dismas mit einem betrübten Lächeln, »du hast die Kirche verraten. Du musst dein Schicksal akzeptieren.«
»Nein!« Jetzt spürte er, wie sich in ihm ein Zorn ausbreitete, den seine Folterknechte bisher noch nicht freigesetzt hatten, und die Lebenskraft entzündete, von der er angenommen hatte, sie wäre für immer ausgelöscht. »Ich bin in Jesu Fußstapfen getreten. Ich habe den Armen gedient. Deshalb bin ich hier. Deshalb bin ich nicht weggelaufen, als ich Gelegenheit dazu hatte! Ich wusste, dass ich bei ihnen sein musste, denn das ist die Rolle eines Priesters. Ich habe die Kirche nicht verraten. Die Kirche hat mich verraten!«
»Solcher Stolz! Solche Arroganz!« Dismas nahm Pettigrews Kopf in die Hände; der Priester wurde von einem Schwindel ergriffen. Die Kabine füllte sich langsam mit einem sanften weißen Licht. »Du musst zurückgehen, um vorwärtsgehen zu können. Erst dann kannst du auf Gottes Liebe ansprechen und Seiner Seligkeit teilhaftig werden. Mach dir keine Sorgen. Es wird dir kein Übel begegnen, und keine Plage wird zu deiner Hütte sich nahen. Denn Er hat Seinen Engeln befohlen über dir, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf den Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stößest.«
Pettigrew spürte, wie ihm die Tränen das Gesicht hinunterliefen. Als er nach unten schaute, konnte er sehen, wie sie auf seinen zerschlagenen Körper fielen und seine Wunden benetzten. »Kann das wahr sein?«, fragte er.
»Dein Vermächtnis sollte eines der Sühne sein.« Dismas lächelte. »Bereue dein verruchtes Leben. Sei der Inbegriff des bußfertigen Missetäters. Gottes Bereitschaft zur Vergebung ist immerwährend. Mit der Liebe Gottes ist es nie zu spät.«
»Die Liebe Gottes …«, wiederholte Pettigrew, während er im Antlitz der Vision nach weiterem Trost suchte. Aber Dismas verblasste bereits im Licht. Pettigrew beobachtete, wie er verschwand, und wartete darauf, dass sein Geist in seinen Körper zurückkehrte. Das Licht hüllte ihn in Gelassenheit und Liebe ein, und endlich, endlich, endlich hatte er das Gefühl, dass er wahrhaft auf dem Weg in den Himmel sei.
Als sie zurückkamen, war er bereit. Er konnte Stimmen hören – zwei Leute, vielleicht drei. Die Handschellen wurden aufgeschlossen. Er massierte sich die Handgelenke und kreuzte die Arme vor der Brust, machte aber keine Anstalten, sich vom Bett zu erheben. Sofort spürte er den inzwischen allzu vertrauten Druck einer Gewehrmündung an der Schläfe.
»Steh auf, du Schwein!«
Der Priester, dessen Kopf immer noch von der Kapuze vermummt war, schwang die Beine langsam vom Bett hinunter und kam wackelig auf die Beine. Da er sich schwindelig fühlte und ihm übel wurde, wollte er sich gerade wieder setzen, als ihn eine Hand im Nacken packte und nach vorn schob.
»Raus!«
Als er nach unten schaute, konnte er einen winzigen Fleck Boden zwischen seinen geschwollenen Füßen sehen. Der Boden fühlte sich kühl an. Da es wehtat, zu viel Gewicht auf einen Fuß zu legen, schlurfte er so gut er konnte vorwärts, durch einen Flur und ein paar Stufen hoch. Als er sich plötzlich an Deck wiederfand, blieb er stehen, um seine Lunge zu füllen.
»Beweg dich!«
Das Deck war feucht. Es war frisch geschrubbt worden, und die Brise trug den leisen Hauch eines Desinfektionsmittels. Er spürte eine schwache Sonne auf dem Rücken. Jemand hinter ihm zog ihm schwungvoll die Kapuze vom Kopf, und er musste angesichts des Lichts die Augen zusammenkneifen. Dann schaute er auf seine Hände, unter deren Fingernägeln immer noch grüne Farbe war, und berührte zum letzten Mal
Weitere Kostenlose Bücher