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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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räusperte sich. Schließlich seien die ›sterblichen Überreste‹ Kapitän Cooks von den Priestern in einer Prozession feierlich ans Ufer gebracht und Gierke übergeben worden. Am 21. Februar, spätnachmittags, habe James ein Seemannsgrab in der Bucht erhalten. Am Tag darauf seien die Schiffe ausgelaufen.
    Stephens setzte zu einem Loblied auf James an. Sandwich unterbrach ihn mit Mitteilungen zu meiner Pension. Ich erhalte eine Zuwendung vom König, Witwengeld von der Marine und noch vieles mehr. Ich bin eine reiche Frau, Frances. Aber das drang gar nicht in mein Bewußtsein, ich dachte noch über Stephens' Wortwahl nach: sterbliche Überreste. Da stimmte irgend etwas nicht, irgend etwas, was mir nicht ersichtlich wurde. Mein Mann ist zu ›sterblichen Überresten‹ geworden, dachte ich, und ist mit einem Plumps im Ozean verschwunden. Über diesen Plumps konnte ich nicht hinausdenken. Kann ich auch jetzt noch nicht.
    Nach dem Gespräch war ich so unendlich müde, daß ich fürchtete, in Ohnmacht zu fallen. Ich wurde nach Hause gebracht, legte mich hin und schlief.
    Draußen wird es langsam Tag. Ich kann Dir nicht sagen, wie es mir geht, ich weiß es selbst nicht. Ich lege jetzt meine Feder hin und umarme Dich, liebe Frances.
    Der Brief hatte sie erschöpft, sorgte aber auch für etwas Ordnung in ihrem Kopf, so daß sie noch eine Weile schlafen konnte. Kaffeeduft weckte sie. Das Kind muß wieder her, war ihr erster Gedanke. Sein Platz ist hier, so schlimm es auch sein mag. Ich werde für Benny sorgen, werde jedenfalls bei ihm sein, im selben Zimmer. Ich werde ihm vorlesen, ihm von seinem Vater, seinen Brüdern erzählen. Der Tod im Haus läßt einen gute Vorsätze fassen, die niemals verwirklicht werden, weil man so unvorstellbar müde ist. Man sollte sein Leben vielmehr vereinfachen, wenn der Tod kommt, man sollte jeden Tag dasselbe essen, stets dieselben Kleider anziehen und alle Menschen, die einen ermüden, hinauswerfen. Ich lasse besser Charlotte für das Kind sorgen. Aber von jetzt an schläft es hier.
    Benny sah sie verschreckt an, als sie nach unten kam. Er saß bei Charlotte auf dem Schoß. Sie schauten sich die Stiche im Reisetagebuch an, das vor ihnen auf dem Küchentisch lag.
    »Ich versuche, es ihm zu erklären«, sagte Charlotte, »aber ich weiß nicht, ob er es versteht. Wo ist Papa, Benny?«
    »Mit dem Schiff fort.« Er legte den Finger auf eine Abbildung von der Resolution, die in einer Bucht bei Tahiti ankerte. Im Vordergrund fuhren Eingeborene in Kanus und Booten mit hohen, schmalen Segeln; man sah eine halbnackte Mutter mit Kind, man sah Wellen und majestätische Berge, aber Benny blickte andächtig auf einen dicken Hahn auf einem Steg. »Hahn? Hahn?«
    »Wo ist Mary?« fragte Elizabeth. Fortwährend nach dem Verbleib von etwas oder jemandem zu fragen, war vielleicht auch eine Folge davon, daß der Tod Einzug gehalten hatte. Das verunsicherte und beunruhigte. Bevor eine Antwort erfolgte, kam ihre Mutter in die Küche gepoltert. Ein kleines Holzfaß in den Armen haltend, stieß sie die Tür mit dem Hinterteil auf.
    »Gin«, sagte sie. »Von nebenan. Du wohnst neben einer Ginfabrik, weißt du. Ich habe einmal Kontakte geknüpft, dich sehen sie nie, sagen sie. Der Aufseher ist ein patenter Kerl. Er wird mich beliefern. Dafür dieses kleine Werbegeschenk hier. Hast du leere Flaschen? Ungemein praktisch, einen kleinen Ginvorrat zu haben, wenn du viel Besuch bekommst. Gib mir mal einen Trichter, dann bringe ich das gleich in Ordnung.«
    Mary machte sich daran, den Gin sorgsam in Flaschen umzufüllen. Charlotte erzählte Benny leise murmelnd von Kokosnüssen und Bananen. Was tue ich? dachte Elizabeth. Das ist mein Haus, meine Küche, mein Mann ist am anderen Ende der Welt von Wilden niedergesäbelt, ertränkt und erstochen worden, und wir sitzen hier und erzählen Geschichten und legen Alkoholvorräte an. Draußen hängt Nebel, seit Tagen schon, man kann nicht einmal das andere Ende des Gartens sehen. Existiert das hier überhaupt? Es fühlt sich nicht so an. Vielleicht sind wir hier auch nicht mehr als eine Geschichte.
    Mary nahm eine Kostprobe von dem Gin und schmatzte anerkennend. »Hast du ein Glück mit solchen Nachbarn! Du solltest mehr trinken, du siehst käsig aus.«
    Sie reichte Elizabeth ein Glas. Der Gin schimmerte hell gelblich und verbreitete einen intensiven Fuseldunst. Sie nahm das Glas an und stellte es auf den Tisch. Man sagte besser zu allem ja und tat dann nichts, als daß man

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