Letzte Worte
gemocht. Er kam sich verletzlich und einsam vor und dachte an Sachen, über die er nicht nachdenken wollte.
Bis Thanksgiving waren es nur noch wenige Tage. Letzte Woche hatte Jason wie üblich seine Mutter angerufen, aber sie hatte keine Lust gehabt, ihn zu sehen. Jason stammte aus der ersten Ehe seiner Mutter mit einem Mann, der eines Tages auf ein Bier gegangen und nie mehr zurückgekommen war. Ihr zweiter Mann machte von Anfang an klar, dass Jason nicht sein Sohn war. Sie hatten drei Töchter, die kaum wussten, dass Jason überhaupt existierte. Zu Familientreffen wurde er nicht eingeladen. Er bekam keine Einladungen zu Hochzeiten oder Urlauben. Die einzige Verbindung seiner Mutter zu ihm lief über den U.S.Postal Service. Zu seinem Geburtstag und zu Weihnachten schickte sie ihm immer einen Scheck über fünfundzwanzig Dollar.
Mit Allison hätte eigentlich alles anders werden sollen. Sie wollten ihre Ferien gemeinsam verbringen. Sie wollten ihre eigene Familie sein. Genau das hatten sie ein Jahr und elf Monate lang getan. Sie gingen ins Kino oder Chinesisch essen, während der Rest des Planeten mit Verwandten zusammensteckte, die man nicht mochte, und etwas aß, das nicht schmeckte. Das war ihr Ding– sie waren zwei gegen den Rest der Welt, fast platzend vor Freude, weil sie einander hatten. Jason hatte noch nie erlebt, wie es war, mitten in etwas Gutem zu sein. Er hatte immer draußen gestanden und das Gesicht an die Scheibe gedrückt. Allison hatte ihm ein Gefühl des Dabeiseins gegeben, und jetzt hatte sie es ihm wieder genommen.
Er wusste nicht einmal, ob sie noch in der Stadt war. Vielleicht war sie zu ihrer Tante gefahren. Vielleicht war sie mit einem anderen Kerl durchgebrannt. Allison war attraktiv. Sie konnte bessere Freunde haben als Jason. Er wäre nicht überrascht, wenn sie jetzt im Augenblick mit diesem neuen Kerl vögeln würde.
Ein neuer Kerl.
Der Gedanke versetzte ihm einen Stich. Arme und Beine ineinander verschlungen, ihre langen Haare auf der Brust des anderen Kerls. Wahrscheinlich war es eine haarige Brust, eine Brust, wie Männer sie hatten, nicht die eingefallene, teigige weiße Brust, die sich seit seiner Zeit an der Junior-Highschool nicht verändert hatte. Dieser neue Kerl hatte sicher auch Eier groß wie Grapefruits. Er würde Allison packen und sie nehmen wie ein Tier, wann immer er wollte.
Wie konnte sie mit einem anderen Kerl zusammen sein? Jason wusste seit ihrem ersten Kuss, dass er sie heiraten wollte. Er hatte ihr einen Ring geschenkt mit dem Versprechen, dass er, sobald das hier zu Ende wäre, ihr einen besseren kaufen würde. Einen echten. Hatte Allison das vergessen? Konnte sie wirklich so grausam sein?
Jason biss auf seiner Unterlippe herum und saugte sie zwischen die Zähne, bis er Blut schmeckte. Er stand auf und ging wieder hin und her. Im Schein der kaputten Lampe warfen seine Bewegungen einen unheimlichen Schatten, der über die Wand schwankte. Sechs Schritte in die eine Richtung, sechs Schritte in die andere. Der Schatten zögerte, blieb stehen und bewegte sich wieder, er hing an Jason wie ein Traum. Er hob die Hände, zog die Schultern hoch, und der Schatten wurde zu einem Monster.
Jason ließ die Hände wieder sinken. Wenn er damit nicht aufhörte, würde er völlig durchdrehen.
Wenn er es nur über Thanksgiving schaffte, dann wäre das alles vorbei. Er und Allison würden reich sein, oder wenigstens nicht mehr so arm. Tommy würde sich Gerätschaften kaufen können, um damit seine eigene Gartenservice-Firma aufzumachen. Allison würde ihren Job im Diner aufgeben und sich aufs Studium konzentrieren können. Jason würde… Was würde Jason tun?
Er würde Allison diesen Ring kaufen. Er würde diesen anderen Kerl und seine blöde haarige Brust aus seinem Kopf verbannen, und er und Allison würden ihr Leben gemeinsam verbringen. Sie könnten heiraten. Kinder bekommen. Sie würden beide Wissenschaftler, Ärzte sein. Sie könnten sich ein neues Haus, neue Autos kaufen und die Klimaanlage den ganzen Sommer durchlaufen lassen, wenn sie wollten. Diese letzten drei Monate wären dann nur noch eine ferne Erinnerung, etwas, worüber sie in zehn, fünfzehn Jahren, wenn das alles vorbei wäre, lachen würden. Sie wären vielleicht auf einer Dinnerparty. Allison hätte ein bisschen zu viel getrunken. Das Gespräch würde auf die wilden Collegetage kommen, und ihre Augen würden im Kerzenlicht funkeln, wenn sie Jason anschaute und zu grinsen anfing.
» Ach, da haben wir
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