Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet
Ausweg«, stellte Sandro fest. »Denn da hoch kommen wir nicht mehr.«
»Hoffentlich ist die Tür offen«, flüsterte ich mit heiserer Stimme. »Wenn sie abgeschlossen ist, werden wir hier drin wohl verhungern müssen«, sagte Sandro.
»Elendig verhungern«, bestätigte ich.
»Aber die Tür ist ganz sicher offen.«
»Sie könnte aber genauso gut verschlossen sein«, meinte ich. »Könnte sein, muss aber nicht.«
»Genau.« Damit schulterten wir unsere Rucksäcke und gingen auf die kleine Tür zu.
»Wenn wir eine gerade Anzahl Schritte bis zur Tür brauchen, ist sie offen«, murmelte ich. »Wenn wir eine ungerade Anzahl gehen müssen, ist sie abgeschlossen.«
Manchmal mache ich diese kleinen Spiele in meinem Kopf. Dann darf ich zum Beispiel nicht auf die Ritzen zwischen den Gehwegplatten treten. Oder wenn ich an der Ampel stehe, müssen drei rote Autos vorbeifahren, sonst passiert irgendetwas Schlimmes. Mama hat mal gesagt, ich soll das nicht machen. Es würde mich unter Druck setzen und das sei doch nicht nötig. Ich mache es aber trotzdem.
Wir brauchten 37 Schritte bis zur kleinen Tür.
»Dann ist sie wohl zu. So ein Mist!«, fluchte ich leise und ärgerte mich, dass ich nicht so gut fluchen konnte wie die Prinzessin.
»Vielleicht ist die Tür ja doch offen? Wir müssen es wenigstens versuchen«, schlug Sandro vor.
Ich drückte vorsichtig die Klinke hinunter.
Die Tür war nicht verschlossen.
»Was für ein Glück«, seufzte Sandro und wir gingen hindurch.
Hinter uns fiel die Tür wieder ins Schloss. Ich drehte mich noch einmal um und versuchte, sie wieder zu öffnen. Aber sie ließ sich nicht bewegen.
›Die funktioniert wahrscheinlich mit irgendeinem Schließmechanismus‹, dachte ich noch.
Bald schon sollten wir uns wünschen, die Tür wäre nicht offen gewesen. Doch erst einmal wurde es dunkel.
Unter Lurchen
»Verdammt!«, schimpfte Sandro. »Ich habe die Taschenlampe fallen gelassen.« Er tastete den Boden ab. Doch er fand die Taschenlampe nicht wieder.
Ich versuchte mich erst einmal in der Finsternis zu orientieren. Bevor Sandro die Lampe fallen gelassen hatte, hatte ich gesehen, dass wir uns auf einem kleinen, gemauerten Damm befanden. Rechts und links davon stand modriges Wasser. In die Wände waren Nischen eingelassen. Auch dieser Raum hatte ein Deckengewölbe, allerdings war es sehr viel niedriger als das im ersten Raum. Vielleicht war es deshalb so warm. Es roch auch merkwürdig. Ein bisschen nach Fisch und auch nach Käsefüßen.
»Hier riecht es wie in einem Aquarium. Wenigstens ist mir jetzt nicht mehr kalt«, sagte Sandro neben mir. »Kannst du mal bitte deine Lampe anschalten?«
»Ich habe meine Lampe nicht mehr. Ich habe sie bei der Alten liegen gelassen«, antwortete ich.
»Auweia.«
Dann hörten wir die Geräusche. Da war ein Platschen, Gurgeln, Schmatzen, Grunzen und Zischen – es klang schrecklich. »Was ist das?«, flüsterte Sandro und fasste nach meiner Hand. Und da wusste ich es plötzlich. Aber Sandro konnte es nicht wissen. Er hatte sie ja nicht gesehen: die Lurche, die Olme und die Molche, die auch im Aquarium gewesen waren. Ich hatte ihnen schon in die riesigen Augen gestarrt. Und plötzlich wusste ich auch, dass sie diese Geräusche machten, die tausendfach von den Steinwänden widerhallten.
»Ist es das, was ich denke?«, fragte Sandro. Wir hielten uns so fest an den Händen, dass unsere Finger knackten. »Ja. Es sind die Lurche, die Olme und die Molche, die auch im Aquarium waren«, sagte ich. Da berührte etwas Kaltes, etwas Nasses, etwas Schleimiges meine andere Hand.
»Hilfe!«, schrie ich und sprang zur Seite, direkt in das modrige Wasser. Seine Bewohner antworteten mit einem Grunzen, Platschen und Gluckern. Das ganze Gewölbe schien erfüllt davon. Zum Glück war das Wasser nicht tief. Doch es wogte um mich herum wie ein kleines sturmgepeitschtes Meer.
»Oh je«, wisperte ich, »es müssen hunderte sein.«
Sandro fasste nach mir und zog mich wieder auf den Weg zurück.
»Was machen wir denn jetzt?«, fragte er.
»Ich weiß es doch auch nicht«, sagte ich.
Wir standen in völliger Dunkelheit, während um uns herum hunderte riesige Lurche lauerten. Und ich wusste genau, wie grässlich sie bei Licht aussahen.
»Wir müssen hier irgendwie wieder raus«, sagte ich und versuchte zuversichtlich zu klingen. Dabei wusste ich doch, dass die Tür hinter uns nicht mehr aufging. Wir überlegten fieberhaft und versuchten, die schmatzenden Geräusche zu
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