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Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet

Titel: Letzten Donnerstag habe ich die Welt gerettet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Herden
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des Professors wurde seltsam leer. Er sah aus, als wüsste er plötzlich gar nichts mehr – nicht einmal, wo er war und warum. Wir warteten gespannt, aber der Professor sagte nichts mehr.
    »Erzählen Sie doch weiter, Herr Professor«, drängte Sandro mit dieser sanften, verständnisvollen Stimme, die er hat, wenn er kluge Sätze sagt oder jemanden tröstet. Und es wirkte: Professor Kolossos begann wie auf Knopfdruck wieder zu sprechen. Als hätten wir ihn nie unterbrochen.
    »Das ›Elternglück‹ dockt an Rezeptoren im Gehirn an. Es wirkt aber nur, wenn dieses auf eine bestimmte Art vorbereitet ist. Die Eltern müssen bereit sein, ihre Kinder im Stich zu lassen. Das Mittel verstärkt dann diese Bereitschaft noch einmal um ein Vielfaches. Außerdem lässt es bei den erschöpften Eltern, die viele Jahre lang Opfer für ihren Nachwuchs gebracht haben, den Wunsch nach Vergnügen unermesslich werden.«
    »Meine Eltern hätten mich niemals im Stich gelassen, wenn Sie ihnen nicht diese Droge ins Trinkwasser gegeben hätten! Verwarzter Krumpelmolch!«, schrie die Prinzessin.
    »Solange ein Kind sehr klein und hilflos ist, sorgt die Natur dafür, dass Eltern und vor allem die Mütter ihre Kinder nicht hilflos zurücklassen«, fuhr der Professor unbeirrt fort. »In dem Fall wirkt das ›Elternglück‹ nicht. Aber je älter und selbstständiger ein Kind wird, desto größer wird auch die innere Bereitschaft der Eltern loszulassen. Ich habe sie noch zusätzlich gefördert, indem ich Bücher über die richtige Erziehung veröffentlichte. Darin ließ ich verlauten, wie wichtig es ist, Kinder zur Selbstständigkeit zu erziehen …«
    »Sie sind der geheimnisvolle Professor!«, rief ich.
    »Nennt man mich so?« Professor Kolossos lächelte traurig in seinen Bart. Jedoch nur einen winzigen Augenblick, dann redete der kleine Mann weiter, als hätte ihn jemand wie ein Uhrwerk aufgezogen.
    »Das ›Elternglück‹ wirkte unglaublich gut. Nach all den Jahren, in denen sich die Eltern rund um die Uhr um ihre Kinder gekümmert hatten, ergriff sie plötzlich eine tiefe Sehnsucht nach Freiheit und Spaß. Sie wollten sich vergnügen und ihre eigenen Wünsche erfüllen.«
    »Und alles, was Erwachsene sich wünschen, ist ein Vergnügungspark?«, fragte Sandro. »Sie wollen nichts anderes als shoppen, sich frisieren lassen, Luftgitarre spielen und Kaffee trinken?«
    »Erschütternd, nicht wahr?«, sagte Professor Kolossos und sah uns an, als täten wir ihm unendlich leid. Ich glaubte ihm das sogar.
    »Oma wollte nur noch häkeln und bügeln und fernsehen«, flüsterte ich. »Und Vater kam gar nicht mehr aus seinem Arbeitszimmer heraus.«
    »Und bei den Erwachsenen ohne Kinder oder mit älteren Kindern wirkte die Droge nicht, weil sie sich ja normalerweise ihre Wünsche erfüllen können und auch die Freiheit haben, Dinge zu tun, die ihnen Spaß machen«, sagte Sandro.
    »Richtig«, erwiderte der Professor voller Stolz. »Allerdings ließ sie das ›Elternglück‹ gleichgültig sein gegenüber den Dingen, die um sie herum passierten. Sonst hätten sie vielleicht mein Experiment gestört.«
    Plötzlich wurde die Prinzessin unruhig. Sie lief durch den Schaltraum und begann, alles der Größe nach zu ordnen. Und es gab viel zu ordnen, denn überall standen irgendwelche Miniaturen aus Plastik oder Stein herum. Eine riesige Sammlung von Gebäuden, Tieren, kleinen Vasen, Bäumen und Bergen, Autos und Figuren aller Art. Ob der kleine Professor mit seiner kleinen Spielzeugwelt auch richtig spielte? Beinahe hätte ich bei der Vorstellung grinsen müssen. Die Prinzessin sortierte und sortierte, während sie herumlief und leise vor sich hinfluchte. Wenn ich nicht aufgepasst hätte, hätte sie mich und den Professor womöglich auch mit sortiert.
    »Warum machen Sie das alles?«, fragte ich noch einmal. Denn diese Frage hatte der Professor noch immer nicht beantwortet.
    Erst sagte er nichts. Und wieder wurden seine Augen seltsam leer.
    »Weil ich es konnte und es so einfach war«, sagte er dann.
    »Sie haben das alles gemacht, weil es so einfach war?«, rief ich und dachte, ich hätte mich verhört. »Das ist doch kein Grund! Man macht doch nicht so was Verrücktes, nur weil man es kann und weil es einfach ist!«
    »Kannst du dir denn nicht denken, was der wahre Grund ist?«, fragte er und sah auf einmal wieder wach aus. Ich schaute ihn verblüfft an. Wieso sollte gerade ich es mir denken können? »Wie groß bist du, Kurt?«, fragte der Professor, als

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