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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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vielleicht lauerten ja noch mehr verborgene Maden, wenn ich nur den richtigen Kuhfladen umdrehte.
    Wie zufällig hatte ich mich zu Füßen des Direktors auf den Karrenrand gesetzt. Dadurch hatte ich die ganze Versammlung im Blick. Ich konnte die meisten Gesichter sehen – unter denen sich das eine befand, nach dem ich suchte. Ob der Mörder wohl auch mich beobachtete und merkte, daß ich völlig im Dunkeln tappte? Ich schaute jeden einzelnen an und tat so, als wüßte ich etwas ganz Entscheidendes, von dem er keine Ahnung hatte: Davos, beinahe zu verläßlich (konnte jemand so geradlinig sein, wie Davos immer wirkte?); Philocrates, das Kinn hochgereckt, damit sein Profil besser zur Geltung kam (konnte jemand derart egozentrisch sein?); Congrio, unterernährt und unansehnlich (mit welchen wirren Ideen mochte sich dieses dünne, bleiche Gespenst herumschlagen?); Tranio und Grumio, so gewitzt, so scharfsinnig, so sichere Meister ihres Handwerks – eines Handwerks, zu dem Phantasie, aggressive Schlagfertigkeit und visuelle Täuschung gehörten.
    Die Gesichter vor mir sahen fröhlicher aus, als es mir lieb war. Wenn sich jemand Sorgen machte, war ich nicht der Grund dafür.
     
    »Ich habe folgende Vorschläge«, verkündete Chremes gewichtig. »Erstens können wir nochmal die gleiche Runde machen und auf die Erfolge vom letzten Mal aufbauen.« Ein paar Pfiffe ertönten. »Ich bin dagegen«, stimmte der Direktor zu, »weil das keine dramaturgische Herausforderung wäre …« Diesmal lachten einige von uns offen. »Außerdem sind mit ein oder zwei Städten schlechte Erinnerungen verbunden …« Seine Stimme verklang. Öffentliche Erwähnung von Todesfällen war nicht sein Stil. »Die nächste Alternative wäre, weiter nach Syrien hineinzuziehen …«
    »Läßt sich da Kohle machen?« gab ich ihm mit einem nicht allzu leisen Murmeln das Stichwort.
    »Danke, Falco! Ja, ich glaube, Syrien würde eine so angesehene Theatertruppe wie die unsere nach wie vor willkommen heißen. Wir besitzen immer noch ein großes Repertoire, das wir nicht voll ausgeschöpft haben …«
    »Falcos Geisterstück!« schlug ein Komiker vor. Ich hatte nicht gewußt, daß meine Idee, ein Stück zu schreiben, allgemein bekannt geworden war.
    »Jupiter bewahre!« rief Chremes, als sich gröhlendes Gelächter erhob, und ich grinste friedlich. Mein Geisterstück würde besser werden, als es sich diese Holzköpfe vorstellen konnten, aber inzwischen war ich ein professioneller Bühnenautor; ich hatte gelernt, meine Genialität für mich zu behalten. »Wo sollen wir also hinziehen? Wir haben so viele Möglichkeiten.«
    Seine Vorschläge waren zu Möglichkeiten geworden, aber das Dilemma blieb das gleiche.
    »Wollt ihr die Runde der Dekapolis-Städte abschließen? Oder sollen wir nach Norden ziehen und uns dort die kultivierteren Städte vornehmen? Die Wüste sollten wir tunlichst meiden, aber hinter Damaskus gibt es eine gute Straße durch Emesa, Epiphania, Berois und weiter nach Antiochia. Unterwegs können wir Damaskus mitnehmen.«
    »Irgendwelche Nachteile?« wollte ich wissen.
    »In der Hauptsache große Entfernungen.«
    »Ist es weiter als bis nach Kanatha?« drängte ich.
    »Sehr viel weiter. Kanatha bedeutet einen Umweg über Bostra …«
    »Obwohl danach eine ziemlich gute Straße nach Damaskus führt?« Ich hatte die Karten gründlich studiert. Beim Austüfteln von Reiserouten verließ ich mich nie auf andere.
    »Äh, ja.« Chremes fühlte sich unter Druck gesetzt, was er gar nicht leiden konnte. »Wollen Sie denn, daß wir nach Kanatha gehen, Falco?«
    »Wohin Sie die Truppe führen, ist Ihre Sache. Ich dagegen habe keine Wahl. Ich würde gern als Stückeschreiber bei Ihnen bleiben, habe aber etwas in der Dekapolis zu erledigen, einen Auftrag, den ich zu Ende führen muß …«
    Ich wollte den Eindruck erwecken, als hätte meine private Suche nach Sophrona Vorrang vor der Aufklärung der Morde. Der Verbrecher sollte glauben, daß ich das Interesse verlor. Dadurch würde er vielleicht unvorsichtig werden.
    »Wir können Ihrem Wunsch, nach Kanatha zu reisen, bestimmt entgegenkommen«, bot Chremes großzügig an. »Eine Stadt, die so weit abseits der üblichen Routen liegt, ist wahrscheinlich reif für eine unserer erstklassigen Vorstellungen …«
    »Oh, die dürstet bestimmt nach Kultur!« warf ich ermutigend ein und ließ offen, ob ich uns für die Überbringer dieser »Kultur« hielt.
    »Wir gehen dahin, wo Falco hingeht«, rief einer der

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