Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
Vom Netzwerk:
nach der anderen zu sehen. Und ob ich je wieder eine hübsche kleine Stadtmauer mit einem geschmackvollen Tempel erblickte, umgeben von teuren Baugerüsten, über die Ionisches hinauslugte, war mir vollkommen gleichgültig. Zum Hades mit Kommagene? Ach, vergessen Sie’s. Kommagene (ein kleines, ehemals autonomes Königreich meilenweit nördlich von hier) besaß eine ganz hervorragende Eigenschaft: Niemand hatte je vorgeschlagen, daß M. Didius Falco sein Bündel schnüren und diese Gegend abklappern sollte. Nein, diese putzigen kleinen Großkotze, die römisch wirken wollten, konnte man vergessen, und die ganze angeberische, habgierige hellenistische Dekapolis zum Hades wünschen.
    Ich hatte genug. Die Steinchen in den Schuhen und der eklige Mundgeruch der Kamele hingen mir zum Hals raus. Ich wollte glorreiche Monumente und hohe, von Menschen wimmelnde Mietskasernen. Ich wollte mir fragwürdigen Fisch andrehen lassen, der nach Tiberschlamm schmeckt, und beim Essen von meinem schmuddeligen Loch auf dem Aventin auf den Fluß schauen, während ich darauf wartete, daß ein alter Freund an die Tür klopfte. Ich wollte einem Ädilen Knoblauchatem ins Gesicht pusten. Ich wollte auf einem Bankier rumtrampeln. Ich wollte das tausendkehlige Brüllen hören, das über die Rennbahn im Circus Maximus dröhnt. Ich wollte spektakuläre Skandale und Kriminalität großen Stils. Ich wollte durch schiere Größe und Verkommenheit beeindruckt werden. Ich wollte nach Hause.
    »Hast du Zahnweh oder sowas?« fragte Helena. Durch erbittertes Knirschen bewies ich ihr, daß mit meinen Zähnen alles in Ordnung war.
     
    Für die Truppe sah es rosiger aus. In Capitolias ergatterten wir eine Buchung für zwei Vorstellungen. Als erstes spielten wir das Herkules-Stück, da es gerade erst geprobt worden war; dann fand, wie Davos vorausgesagt hatte, Chremes Geschmack an diesen gräßlichen Wesen und drückte uns eine weitere Version »Unzucht treibender Götter« auf, so daß wir tatsächlich Davos als Zeus zu sehen bekamen. Ob es den Zuschauern gefiel, hing davon ab, ob sie Farcen mochten, in denen ständig gefensterlt wurde und es von betrogenen Ehemännern, hilflosem Geklopfe an verschlossenen Türen, erbarmungslos verspotteten Göttern und einer Byrria in einem so gut wie alles enthüllenden Nachthemd nur so wimmelte.
    Musa mochte dies alles wohl tatsächlich sehr oder überhaupt nicht. Er verfiel in Schweigen. Genaugenommen war der Unterschied zu sonst schwer feststellbar, aber die Art seines Schweigens ließ auf eine neue Stimmung schließen. Brütend, wenn nicht sogar regelrecht finster. Bei einem Mann, dessen Beruf darin bestanden hatte, für Dushara Kehlen aufzuschlitzen, fand ich das alarmierend.
    Helena und ich waren uns nicht sicher, ob Musas neues Schweigen bedeutete, daß er nun vor seelischen und körperlichen Qualen wegen seiner Gefühle für die Schöne verging, oder ob die Derbheit ihrer Rolle in dem Zeus-Stück ihn endgültig abgeschreckt hatte. Wie auch immer, Musa hatte Schwierigkeiten, mit seinen Gefühlen fertigzuwerden. Wir waren bereit, Mitgefühl zu zeigen, aber er wollte ganz offensichtlich selbst zu einer Lösung kommen.
    Um ihn auf andere Gedanken zu bringen, bezog ich ihn stärker in meine Ermittlungen ein. Ich hatte allein weitermachen wollen, aber einen Verliebten einfach seinem Schicksal zu überlassen, bringe ich nicht über mich. Mein Urteil über Musa hatte zwei Seiten: Er war erwachsen, aber unerfahren. Das war die schlechtmöglichste Kombination, wenn man eine so feindselig eingestellte Beute wie Byrria erobern wollte. Seine Reife nahm ihm jede Chance, von ihr bemitleidet zu werden; der Mangel an Erfahrung konnte zu Peinlichkeit und Stümperei führen, wenn er sich je zum Handeln entschloß. Eine Frau, die sich so wild entschlossen von Männern abgekapselt hatte, konnte nur von einer geübten Hand gewonnen werden.
    »Ich gebe Ihnen gern einen Rat, wenn Sie möchten.« Ich grinste. »Aber Ratschläge funktionieren selten. Fehler lauern an allen Ecken – und man muß sie machen.«
    »Oh ja«, erwiderte er ziemlich vage. Wie gewöhnlich klang seine scheinbare Zustimmung eher mehrdeutig. Ich hatte nie einen Mann kennengelernt, der so ausweichend über Frauen sprach. »Was ist mit Ihrem Auftrag, Falco?« Wenn er sich in die Arbeit stürzen wollte, sollte mir das recht sein. Musa als Lebemann aufzubauen, war jedenfalls reichlich mühsam.
    Ich erklärte ihm, daß es mindestens so schwierig ist, die Leute über Geld

Weitere Kostenlose Bücher