Letzter Akt in Palmyra
Glück war nichts zerbrochen, er hatte sich nur gelockert und war rausgefallen. Davos, der hinter ihm fuhr, sah es passieren und warnte ihn lautstark, bevor das ganze Rad abfallen konnte. Davos schien sein Leben damit zu verbringen, Katastrophen zu verhindern. Ein Zyniker hätte meinen können, das sei alles nur Bluff, aber ich war nicht in der Stimmung für diese Art Subtilität.
Philocrates gelang es, seine feine Equipage sanft anzuhalten. Er versuchte nicht, irgend jemanden um Hilfe zu bitten; ihm war wohl klar, wie unbeliebt er sich uns durch seine Unkollegialität gemacht hatte. Wortlos sprang er ab, untersuchte den Schaden, fluchte und begann, den Wagen zu entladen. Da ihm niemand sonst zur Hilfe kam, erbot ich mich freiwillig. Die anderen warteten weiter vorn, während ich ihm bei der Reparatur half.
Philocrates besaß einen leichten, flotten Zweiräder – ein richtiges Rennmobil – mit funkelnden Speichen und aufgeschweißten Metallfelgen. Aber der Verkäufer dieses heißen Teils hatte ihm einen Unfallwagen angedreht: Das eine Rad hatte eine anständige Nabe, vermutlich Originalbau, doch das andere war mit einem museumsreifen Achsnagel befestigt.
»Jemand hat Sie übers Ohr gehauen!« meinte ich.
Ich hatte erwartet, daß sich Philocrates als nutzlos erweisen würde, aber er brachte recht viel technisches Geschick auf, wenn ihm die Gefahr drohte, auf einer einsamen Straße in Nabatäa zurückgelassen zu werden. Er war klein, aber muskulös und gut durchtrainiert. Wir mußten sein Maultier ausspannen, das unruhig geworden war, und eine Art Wagenheber improvisieren, um das Gewicht des Karrens abzustützen. Philocrates mußte etwas von seinem wertvollen Wasservorrat benutzen, um das Achslager abzukühlen. Normalerweise hätte ich einfach draufgepinkelt, aber vor einem johlenden Publikum wollte ich das nicht.
Ich stemmte mich gegen das heile Rad, während Philocrates das locker gewordene aufrichtete, um dann den Bolzen hineinzuhämmern. Das Problem war, ihn fest genug hineinzukriegen, damit er hielt. Gerade als wir überlegten, wie wir es angehen sollten, brachte eines der Bühnenarbeiterkinder uns einen Hammer. Das Kind reichte ihn mir, wahrscheinlich auf Anweisung, und wartete, um ihn sofort wieder seinem Vater zurückzubringen. Ich hielt mich zwar für besser geeignet, aber Philocrates schnappte sich den Hammer und schlug auf den Bolzen ein. Es war sein Wagen, also ließ ich ihn. Er war derjenige, der mit einer gebrochenen Achse und einem zersplitterten Rad liegenbleiben würde, falls sich der Bolzen wieder löste. Philocrates besaß allerdings einen kleinen Hammer zum Einschlagen der Zeltpflöcke; den griff ich mir, und wir hämmerten abwechselnd.
»Puh! Wir sind ein gutes Team«, bemerkte der Schauspieler, als wir uns aufrichteten, nach Luft schnappten und unsere Arbeit betrachteten. Ich warf ihm einen schmutzigen Blick zu. »Das sollte halten, nehme ich an. In Bostra bringe ich den Wagen zu einem Stellmacher. Danke«, quetschte er hervor.
»Ich wurde dazu erzogen, mit anzupacken!« Falls er merkte, daß ich ihm damit eins auswischen wollte, zeigte sein hochnäsiges, schönes Gesicht keinen Schimmer davon.
Wir gaben der Kleinen den Hammer zurück. Sie hüpfte davon, und ich half Philocrates, seinen Karren wieder zu beladen. Er besaß eine Menge schickes Zeug zweifellos Geschenke von dankbaren Frauen. Als nächstes kam der Moment, auf den ich die ganze Zeit gewartet hatte: Er mußte sein Maultier wieder anschirren. Das wollte ich genießen. Nachdem er mir zugeschaut hatte, wie ich damals hinter dem blöden Ochsen hergejagt war, hatte ich jetzt das Privileg, neben der Straße zu sitzen und nichts zu tun, während er herumstolperte und dem verspielten Biest Heu anbot. Wie die meisten Mulis, setzte auch dieses seine hohe Intelligenz ein, um das Leben eines miesen Charakters zu führen.
»Wir können gern ein bißchen plaudern«, bot ich an und hockte mich auf einen Felsbrocken. Es war nicht das, was Philocrates in diesem Moment hören wollte, aber ich hatte nicht vor, mir den Spaß nehmen zu lassen. »Ich finde es nur fair, Sie zu warnen, daß Sie der Hauptverdächtige in den beiden Mordfällen sind.«
»Was?« Philocrates blieb vor Wut stocksteif stehen. Das Muli erkannte seine Chance, schnappte sich das Heu und trabte davon. »Solchen Blödsinn habe ich noch nie gehört …«
»Es ist da drüben«, sagte ich hilfsbereit und deutete mit dem Kopf in Richtung Tier. »Natürlich sollen Sie die
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