Letzter Akt in Palmyra
auszufragen, wie einem Freund in Liebesdingen zu raten. Er rang sich ein Lächeln ab, dann machten wir uns daran, Davos’ Geschichte zu überprüfen.
Ich wollte vermeiden, Chremes direkt wegen seiner Schulden zu befragen. Ihn anzugehen, war sinnlos, solange wir keine Beweise hatten, daß er tatsächlich in die beiden Morde verwickelt war. Daß wir diese Beweise jemals finden würden, bezweifelte ich sehr. Chremes stand nach wie vor weit unten auf meiner Liste der Verdächtigen. »Er ist stark genug, Heliodorus unter Wasser gedrückt zu haben, aber er war nicht auf dem Damm in Bostra, als man Sie ins Wasser schubste, und wenn niemand gelogen hat, war er auch bei Iones Tod nicht dabei. Das ist deprimierend und typisch für meine Arbeit, Musa. Davos hat mir das beste Motiv für den Mord an Heliodorus geliefert, aber am Ende wird es wahrscheinlich irrelevant.«
»Wir müssen es aber trotzdem überprüfen?«
»Auf jeden Fall!«
Ich schickte Musa los, um Phrygia zu fragen, ob Chremes tatsächlich seine Sachen gepackt hatte, als Heliodorus ermordet wurde. Sie war bereit, es zu beschwören. Falls sie immer noch nichts wußte von Chremes’ Schulden bei dem Stückeschreiber, dann hatte sie auch keinen Grund zu der Vermutung, wir hätten einen Verdächtigen eingekreist, und deshalb keinen Grund zu lügen.
»Können wir die Geschichte mit den Schulden denn nun vergessen, Falco?« überlegte Musa und beantwortete seine Frage selbst. »Nein, können wir nicht. Jetzt ist Davos dran.«
»Richtig. Und weshalb?«
»Er ist mit Chremes befreundet und besonders Phrygia zugetan. Er könnte, nachdem er die Sache mit den Schulden rausfand, Heliodorus ermordet haben um seine Freunde vor dem erpresserischen Geldverleiher zu schützen.«
»Nicht nur seine Freunde, Musa. Er hätte damit die Zukunft der Theatertruppe gesichert und dazu noch seinen eigenen Job, den er angeblich aufgeben wollte. Und deshalb überprüfen wir ihn – obwohl er aus dem Schneider zu sein scheint. Wenn er auf den Berg spaziert ist, wer soll dann die Requisiten und Kulissen in Petra verpackt haben? Wir wissen, daß irgendjemand es getan haben muß. Philocrates findet solche Arbeiten unter seiner Würde und war sowieso die halbe Zeit damit beschäftigt, sich im Gebüsch zu vergnügen. Fragen wir Congrio und die Zwillinge, wo sie waren. Das müssen wir ja auch rauskriegen.«
Congrio knöpfte ich mir selbst vor.
»Ja, Falco. Ich hab Davos geholfen, die schweren Sachen aufzuladen. Das hat den ganzen Nachmittag gedauert. Philocrates hat uns eine Weile zugeschaut und sich dann davongemacht …«
Die Zwillinge berichteten Musa, sie wären zusammen in dem gemeinsamen Zimmer gewesen; hätten ihre Sachen gepackt, sich einen Schluck genehmigt – der etwas größer ausfiel, als erwartet, weil sie die Amphore nicht zu ihrem Kamel schleppen wollten –, und dann ihren Rausch ausgeschlafen. Das paßte zu dem, was wir über ihren eher desorganisierten, leicht verrufenen Lebensstil wußten. Die anderen waren sich einig gewesen, daß die Zwillinge zum Abmarsch der Truppe aus Petra als letzte aufgetaucht waren, leicht verschwiemelt und zerknautscht ausgesehen und über Kopfweh geklagt hatten.
Na prima. Jeder männliche Verdächtige hatte jemanden, der ihn entlastete. Jeder, ausgenommen vielleicht Philocrates während der Zeit, die er angeblich mit seinen Liebesspielchen verbracht hatte. »Ich werde diesen brünftigen kleinen Dreckskerl unter Druck setzen müssen. Wie ich mich darauf freue!«
»Aber meinen Sie nicht, Falco, daß ein großer, breitkrempiger Hut ihn in die Knie zwingen würde?« fragte Musa gleichermaßen rachsüchtig.
Damit war zumindest eines geklärt: Philocrates hatte einige Szenen in dem Zeus-Stück, in denen er mit der lieblichen Byrria schmusen mußte. Musas Ärger schien die Frage zu erübrigen, wie es mit seinen Gefühlen für das Mädchen aussah.
XLVI
Nachdem wir in Capitolias aufgetreten waren, machte sich Unruhe in der Truppe breit. Ein Grund dafür war, daß nun Entscheidungen getroffen werden mußten. Capitolias war die letzte der zentralen Dekapolis-Städte. Damaskus lag gute sechzig Meilen weiter nördlich – eine längere Strecke, als wir bisher zwischen den einzelnen Städten zurückgelegt hatten. Die letzte Stadt, Kanatha, lag weit entfernt von dem übrigen Städtebund, weit draußen im Osten auf der Basaltebene nahe Bostra. Ja, wegen der Abgelegenheit war es am besten, über Bostra zu reisen, was nochmal halb so viele Meilen zu den
Weitere Kostenlose Bücher