Letzter Akt in Palmyra
Möglichkeit haben, etwas zu Ihrer Entlastung vorzubringen.«
Philocrates reagierte mit einem Ausruf, der sich auf einen übermäßig beanspruchten Teil seiner Anatomie bezog. Ich staunte mal wieder darüber, wie leicht ein selbstbewußter Mann durch eine absolut unfaire Behauptung aus den Pantinen zu heben ist.
»Mich von was zu entlasten?« wollte er wissen. Ihm war eindeutig heiß, und das hatte nichts mit dem Klima oder unseren Mühen zu tun. Philocrates’ Leben bestand aus zwei Dingen: auf der Bühne stehen und mit Frauen in den Büschen zu verschwinden. In beidem war er äußerst kompetent, aber auf anderen Gebieten wirkte er ausgesprochen dämlich. »Ich muß mich von nichts entlasten, Falco!«
»Ach, kommen Sie. Das ist ja erbärmlich. Sie müssen doch von genügend wütenden Ehemännern und Vätern attackiert worden sein. Bei der Übung, die Sie haben, hätte ich eine bessere Verteidigungsrede erwartet. Wo ist Ihr berühmter Bühnenschmiß? Vor allem«, sinnierte ich nachdenklich, »wo diese Vorwürfe so gravierend sind. Ein bißchen Ehebruch und der gelegentliche Bankert mögen zwar ein schlechtes Licht auf Ihre Vergangenheit werfen, aber das hier ist ein ernstes Verbrechen, Philocrates. Mord wird öffentlich in der Arena bestraft …«
»Sie werden mich nicht den verdammten Löwen vorwerfen für etwas, womit ich nichts zu tun hatte! Es gibt noch Gerechtigkeit.«
»In Nabatäa? Sind Sie sich da sicher?«
»Ich lasse mich nicht in Nabatäa vor Gericht zerren!« Ich hatte ihm mit den Barbaren gedroht; sofort war er in Panik geraten.
»Das werden Sie wohl, wenn ich die Sache hier zur Anklage bringe. Wir sind bereits in Nabatäa; da vorn liegt Bostra. Einer der Morde wurde in der Schwesterstadt begangen und ich habe einen Bevollmächtigten aus Petra dabei. Musa hat auf Befehl des Obersten Ministers von Nabatäa den weiten Weg auf sich genommen, um die Verurteilung des Mörders zu sichern, der den Hohen Opferplatz entweiht hat!« Ich genoß diese Art hochtrabender Reden. Pompöse Reden mögen zwar völliger Blödsinn sein, aber sie haben eine großartige Wirkung.
»Musa?« Plötzlich war Philocrates mißtrauisch geworden.
»Musa. Er mag zwar wie ein liebeskranker Halbwüchsiger aussehen, aber er ist der persönliche Gesandte des Bruders, damit beauftragt, den Mörder festzunehmen – und es sieht so aus, als ob Sie das wären.«
»Er ist nur ein untergeordneter Priester ohne jede Autorität.« Vielleicht hätte ich so gescheit sein sollen, meine Redekunst nicht an einem Schauspieler auszuprobieren; er kannte die Macht der Worte, vor allem leerer Worte, nur allzu gut.
»Fragen Sie Helena!« sagte ich. »Sie kann es Ihnen bestätigen. Musa ist für eine hohe Stellung vorgesehen. Diese diplomatische Mission im Ausland ist nur eine Vorbereitung darauf. Er muß unbedingt einen Verbrecher zurückbringen, um seinen Ruf zu wahren. Es tut mir leid, aber Sie sind der aussichtsreichste Kandidat für diese Rolle.«
Philocrates’ Muli war enttäuscht, daß sich nichts mehr tat. Es kam zurück und stupste seinen Herrn an die Schulter; er sollte noch ein bißchen Fangen mit ihm spielen.
»Warum?« spie Philocrates heraus. Er hatte momentan keine Verwendung für ein Maultier, das seinen Spaß haben wollte. Das eine Ohr aufgestellt, das andere angelegt, schaute mich das um sein Vergnügen gebrachte Biest traurig an und beklagte sein Schicksal.
»Philocrates«, informierte ich ihn wie einen Bruder, »Sie sind der einzige Verdächtige, der kein Alibi hat.«
»Was? Wieso? «Er kannte offenbar eine Menge Interrogativpronomen.
»Tatsachen, Mann. Als Heliodorus ermordet wurde, waren Sie angeblich mit irgendeinem Häschen in einem Felsengrab zugange. Als Ione in den Maiumabecken starb, kam von Ihnen die gleiche abgedroschene Geschichte – diesmal war’s eine sogenannte ›Käseverkäuferin‹. Klingt nicht übel. Klingt passend. Aber wurde je ein Name genannt? Eine Adresse? Jemand, der Sie mit einem dieser Flittchen gesehen hat? Ein wütender Vater oder Verlobter, der Ihnen für diese Beleidigung die Kehle aufschlitzen wollte? Nein. Machen Sie sich doch nichts vor, Philocrates. Alle anderen konnten glaubwürdige Zeugen benennen. Sie dagegen kommen mir nur mit dürftigen Lügen.«
Die Tatsache, daß die »Lügen« ganz typisch für ihn waren, hätte ihm die Verteidigung erleichtern sollen. Die Tatsache, daß er nicht auf dem Damm in Bostra war, als man Musa angegriffen hatte, bewies für mich seine Unschuld. Aber er
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