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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Karawanserei verlassen hatten und Petra durch die berühmte enge Schlucht betraten, hatten wir uns so heftig gestritten, daß keine der Wachen uns groß beachtete. Ein Mann, der die Schimpfkanonaden seiner Frau zu ertragen hat, kann fast überall ungehindert einreiten; bewaffnete Geschlechtsgenossen behandeln ihn stets mit Sympathie. Während die Männer uns den erhöhten Damm entlang und durch die enge Felsspalte dirigierten und uns dann unter dem monumentalen Bogen hindurchscheuchten, war ihnen nicht bewußt, daß Helena trotz ihrer wüsten Schimpferei gleichzeitig mit den scharfen Augen und dem wachen Geist eines Caesaren ihre Befestigungsanlagen auskundschaftete.
    Wir waren inzwischen an genügend Felsengräbern, freistehenden Steinblöcken mit seltsam treppenförmigen Dächern, Inschriften und Reliefs vorbeigekommen, um vor Ehrfurcht zu erblassen. Danach hatten wir die bedrohliche Schlucht erblickt, an deren Seiten ich ein ausgeklügeltes System von Führungsrinnen und Wasserrohren entdeckte.
    »Bete bloß darum, daß es nicht regnet«, murmelte ich, als wir den Eingang der Schlucht aus den Augen verloren. »Wenn hier das Wasser durchschießt, kann man glatt ersaufen …«
    Schließlich verengte sich der Weg zu einem düsteren Trampelpfad; die Felsen schienen hoch über unseren Köpfen zusammenzustoßen. Plötzlich erweiterte sich die Schlucht und wir hatten die sonnenbeschienene Fassade eines großen Tempels vor uns. Statt vor Entzücken aufzujuchzen, murmelte Helena: »Unsere Reise war umsonst. Diesen Eingang können die mit nur fünf Mann gegen jede Armee verteidigen.«
    Durch eine Felsspalte hindurch gelangten wir direkt vor den großen Tempel. Als ich nach einer Weile ehrfürchtigen Staunens wieder zu Atem kam, meinte ich: »Ich dachte, du würdest sagen: ›Nun ja, Marcus, du hast mir zwar nie die sieben Weltwunder gezeigt, aber zumindest hast du mich zum achten gebracht!‹ «
    Schweigend blieben wir noch einen Augenblick stehen.
    »Mir gefällt die Göttin in dem runden Pavillon zwischen den gesprengten Giebeln«, sagte Helena.
    »Sowas würde ich als wirklich gelungenes Säulengebälk bezeichnen«, kehrte ich den Architektensnob heraus. »Was, meinst du, befindet sich in der großen Urne an der Spitze des Göttinnenpavillons?«
    »Badeöl.«
    »Na klar, was denn sonst.«
    Kurz darauf kam Helena wieder auf das Thema, das sie vor Erreichen dieses phantastischen Bauwerks angeschnitten hatte: »Petra ist also von Bergen umgeben. Aber gibt es noch andere Zugänge? Ich hatte den Eindruck, dies sei der einzige.« Meine Güte, war die Frau zielstrebig. Anacrites hätte lieber sie engagieren sollen, statt mich.
    Manche Römer behandeln ihre Frauen wie hirnlose Zierpüppchen und kommen damit durch; bei meiner war das nicht drin, also erwiderte ich ruhig: »Das ist genau der Eindruck, den die vorsichtigen Nabatäer vermitteln wollen. Jetzt schau dir mal die prächtige Steinmetzarbeit an, Liebling, und tu so, als seist du nur zufällig vorbeigekommen, um ein paar indische Perlenohrringe und einige Bahnen türkisfarbener Seide zu erstehen.«
    »Verwechsel mich ja nicht mit deinen früheren Flittchen!« meinte sie spitz, als ein nabatäischer Wachmann, der offenbar nach verdächtigen Gestalten Ausschau hielt, an uns vorbeikam. Helena hatte begriffen. »Ich könnte vielleicht einen Ballen naturfarbener Seide kaufen, aber ich würde ihn zu Hause selbstverständlich zu reinem Weiß bleichen lassen …«
    Wir hatten die Musterung bestanden. Leicht an der Nase herumzuführen, diese Wachen! Entweder das, oder sie waren Gefühlsmenschen, die es nicht über sich brachten, einen Pantoffelhelden zu verhaften.
    Gestern war mir wenig Zeit geblieben, Helenas Zorn auf den Grund zu gehen. Unsicher darüber, wie lange wir noch die unschuldigen Reisenden würden spielen können, hatte ich uns hastig über den schmalen, ausgetrockneten Pfad an zahllosen Felsengräbern und Tempeln vorbei in die Stadt geführt. Uns war aufgefallen, daß es trotz der Wüste ringsum hier überall Gärten gab. Die Nabatäer besaßen offenbar Quellwasser und ein gut ausgebautes System von Zisternen. Für ein dem Nomadendasein kaum entwachsenes Volk waren sie erstaunlich gute Ingenieure. Trotzdem war es ein Wüstengebiet; wenn es unterwegs geregnet hatte, legte sich feiner roter Staub auf unsere Kleidung, und beim Haarekämmen löste sich eine Art schwarzer Sand von der Kopfhaut.
    Am Ende des Pfades lag eine Siedlung mit vielen ansehnlichen Häusern und

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