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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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an der Toga vornehmer Knaben, Priester und Beamten unterbrochen wurde.
    Die hiesigen Männer hätten in Rom weibisch gewirkt. Es dauerte ein bißchen, bis man sich daran gewöhnt hatte. Alle trugen Tuniken, die mit üppig bestickten Litzen besetzt waren; darunter bauschige persische Hosen, ebenfalls mit Litzen besetzt. Die meisten Männer hatten runde, flache Hüte auf. Die Frauen trugen konventionelle lange Kleider, darüber einen Umhang, der auf der linken Schulter von einer schweren Brosche zusammengehalten wurde. Nur die Sklavinnen und Prostituierten waren unverschleiert. Der Schleier, der offensichtlich das Besitzrecht eines strengen Vaters oder Ehemanns demonstrieren sollte, fiel von einer Tiara oder einem Turban herab und umrahmte dann lose das Gesicht, was der Trägerin gestattete, die Falten mit einer graziösen Hand elegant zu ordnen. Was man hinter dieser vorgeführten Ehrbarkeit erspähen konnte, waren dunkle Locken, rundliche Kinnpartien, riesige Augen und willensstarke Münder. Die Frauen waren breit gebaut und trugen so viele Ketten, Armreifen, Ringe und bunte Kämme im Haar, wie sie sich aufladen konnten; ein Frauenzimmer, um deren Hals nicht mindestens sechs Ketten baumelten, war es nicht wert, angesprochen zu werden. Die Damen zum Sprechen zu bringen, mochte allerdings schwierig sein, da sie ständig von eifersüchtigem Mannsvolk umgeben waren und nie ohne verbissen blickende Begleitung ausgingen.
    Philocrates gelang es sehr schnell, die Bekanntschaft eines Geschöpfs in üppig gefalteter, azurblauer Seide zu machen, beladen mit acht oder neun goldenen Halsketten, an denen mit Perlen und geschliffenem Glas besetzte Anhänger baumelten. Ihre Arme steckten in einer regelrechten Rüstung aus Metallreifen. Wir sahen sie ihm durch ihren Schleier, aus dem nur ein strahlendes Auge hervorlugte, verzückte Blicke zuwerfen. Vielleicht zwinkerte sie ihm zu. Kurz danach sahen wir, wie er von ihren Verwandten die Straße hinunter gejagt wurde.
     
    Angeblich sollte es ein Theater geben. Während Chremes loszog, um herauszubekommen, ob derbe römische Vagabunden wie wir dort auftreten konnten, machte ich mich auf den Weg, die vermißte Sophrona aufzuspüren. Ich hatte Thalia gefragt, ob sie mitkommen wollte.
    »Nein. Geh du nur zuerst und mach dich lächerlich. Wenn wir wissen, was Sache ist, können wir immer noch die Köpfe zusammenstecken.«
    »Das ist gut. Ich hatte schon befürchtet, daß ich jetzt, wo du in Syrien bist, mein Honorar verlieren würde.«
    »Du kannst nichts verlieren, was du noch gar nicht verdient hast, Falco. Das Honorar ist dafür ausgesetzt, daß du Sophrona zurück nach Rom bringst. Verschwende keine Tinte für eine Rechnung, bevor sie nicht in Ostia von Bord gegangen ist!«
    »Vertrau mir!« Ich lächelte.
    Helena lachte. Ich berührte ihre Stirn, die endlich kühler war. Es ging ihr viel besser. Das merkte ich, als sie Thalia fröhlich erklärte: »Ist er nicht süß? Der arme Marcus, er bildet sich ein, daß er gut mit Mädchen kann.«
    Ich schaute lüstern, wie ein Mann, den man keinesfalls aus den Augen lassen sollte; dann machte ich mich in die Stadt auf, verliebter in Helena denn je.
    Irgendwie meinte ich, gehört zu haben, daß diese Sophrona ein hübsches kleines Ding war.

LXIII
    Es schien mir das Beste, Thalias Auftrag möglichst schnell zu erledigen, bevor Chremes nach meinen Diensten als glückloser Autor verlangte. Außerdem hatte ich dadurch die Gelegenheit, mir die Stadt anzusehen.
    Falls Sie Palmyra besuchen wollen, kommen Sie im Frühjahr. Abgesehen von den kühleren Temperaturen, findet im April die berühmte Prozession zum großen Tempel des Bel statt. In den übrigen Monaten müssen Sie sich bis zum Überdruß anhören, wie toll dieses Fest ist mit seinen Sängern, den in Sänften getragenen Gottheiten und der langen Prozession girlandengeschmückter Tiere. Von dem anschließenden Blutvergießen ganz zu schweigen. Oder dem Zusammenbruch gesellschaftlicher Ordnung, der jedem ernsthaften religiösen Ereignis unvermeidlich folgt. Das Fest (über das jeder nüchterne Römer die Nase rümpfen sollte, obwohl ich es mir sehr spaßig vorstellen konnte) mußte etwa um die Zeit stattgefunden haben, als Helena und ich unsere Reise planten. Es bietet die einzige Chance, die mächtigen Portale, die der Öffentlichkeit den Zugang zur Göttertrias im Sanktuarium versperren, geöffnet zu sehen. Wenn Sie also gern Götter oder großartige Steinmetzarbeit bestaunen, ist der April ein

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