Letzter Akt in Palmyra
große Villa mit fensterloser Außenmauer. Durch ein Tor mit reich verziertem Türsturz kam ich auf einen kühlen, ziemlich dunklen Innenhof mit einem privaten Brunnen, umgeben von korinthischen Säulen. Ein dunkelhäutiger Sklave forderte mich höflich, aber bestimmt auf, hier zu warten, während er im Inneren des Hauses nachfragte.
Ich hatte behauptet, aus Rom zu kommen (es hätte keinen Sinn gehabt, etwas anderes vorzugeben) und ein einflußreicher Bekannter des Mädchens zu sein. Da ich hoffte, einigermaßen respektabel auszusehen, nahm ich an, die Eltern ihres Freundes wären vielleicht erpicht darauf, jedem noch so vagen Hinweis nachzugehen, daß sich ihr wunderbarer Sohn Khaleed mit einer akzeptablen Person eingelassen hatte. Offenbar nicht; trotz meiner Bemühungen wurde ich nicht empfangen. Weder der Hausbesitzer noch sein Gast Habib ließen sich herab, persönlich zu erscheinen. Allerdings versuchte niemand zu leugnen, daß sich Habib hier aufhielt. Mir wurde gesagt, er und seine Frau würden in Kürze nach Damaskus zurückkehren und ihren Sohn mitnehmen. Demnach wohnte Khaleed zur Zeit hier, vermutlich nicht freiwillig. Das Schicksal seiner musikalischen Reisebekanntschaft blieb unklar. Als ich Sophrona erwähnte, meinte der Sklave nur höhnisch, sie sei nicht hier.
Da ich wußte, daß ich an der richtigen Stelle war, tat ich, was ich konnte, blieb dabei aber gelassen. Der größte Teil der Arbeit eines Ermittlers besteht darin, die Nerven zu behalten. Mit heftigerem Insistieren hätte ich nur Aufregung verursacht. Früher oder später würde der junge Khaleed von meinem Besuch erfahren und sich wundern. Bestimmt würde er selbst als Gefangener seiner Eltern versuchen, Kontakt zu seiner Liebsten aufzunehmen.
Ich wartete auf der Straße. Wie erwartet, kam kaum eine halbe Stunde später ein junger Mann herausgeschossen und schaute sich verstohlen um. Nachdem er sicher war, daß ihm niemand aus dem Haus folgte, trabte er mit schnellen Schritten los.
Er war ein kleiner, stämmiger Jüngling um die zwanzig und hatte ein eckiges Gesicht mit dicken, buschigen Augenbrauen, die in der Mitte, wo ein Haarbüschel wie ein kleiner schwarzer Diamant abstand, fast zusammenwuchsen. Offenbar war er schon lange genug in Palmyra, um sich parthische Hosen zuzulegen, die er aber unter einer nüchternen westlichen Tunika mit syrischen Streifen und ohne Stickerei trug. Er sah athletisch und gutmütig aus, allerdings nicht sehr helle. Ehrlich gesagt, entsprach er nicht meiner Vorstellung von einem Helden, mit dem man durchbrennt – aber ich war ja auch kein einfältiges junges Mädchen, das sich nach einem ausländischen Bewunderer verzehrt, der es von einem Posten weglockt, für den es sich glücklich schätzen konnte.
Ich wußte, daß Sophrona ein bißchen einfältig war; Thalia hatte es mir gesagt.
Der junge Mann ging schnell. Zum Glück nach Westen, in Richtung des Lagers unserer Truppe, also war ich nicht allzu entmutigt. Doch allmählich spürte ich eine gewisse Erschöpfung. Hätte ich mir bloß ein Muli geborgt! Junger Liebe mag auslaugende Hitze nichts anhaben, aber ich war zweiunddreißig und sehnte mich nach einer langen, gemütlichen Ruhepause im Schatten einer Dattelpalme. Ich wollte ein nettes Schläfchen machen und etwas trinken, danach wäre ich vielleicht zu ein wenig Zärtlichkeit mit Helena aufgelegt, aber nur, wenn sie mir vorher verführerisch genug die Stirn gestreichelt hätte. Diesem stämmigen Playboy nachzujagen, verlor bald an Reiz.
Die zunehmende Nähe meines Zeltes war allzu verlockend. Ich war drauf und dran, den halsbrecherischen Galopp aufzugeben. Ein schneller Sprint durch den dreizehnten Bezirk in Rom ist im August schlimm genug, aber dort weiß ich wenigstens, wo die Weinschänken und öffentlichen Latrinen sind. Das hier war reinste Folter. Weder Erfrischung noch Erleichterung waren zu haben. Und all das für die Musik – die Kunstform, aus der ich mir am wenigsten mache.
Irgendwann schaute Khaleed über die Schulter, entdeckte mich nicht und wurde noch schneller. Er bog vom Hauptweg ab und rannte eine gewundene Gasse zwischen bescheidenen kleinen Häusern entlang, wo Hühner und die eine oder andere magere Ziege frei herumliefen. Er stürzte in eines der Häuser. Ich wartete, bis die Turteltäubchen in Panik gerieten, und folgte ihm dann.
Im Gegensatz zu der Villa von Habibs Freund gab es hier nur einen einfachen rechteckigen Durchgang in einer Lehmziegelwand. Dahinter lag ein
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