Letzter Akt in Palmyra
winziger Innenhof – keine Säulengänge, kein Brunnen, nur nackte Erde. In einer Ecke lag ein umgeworfener Schemel. Wollene Decken hingen von einem Balkon. Sie sahen sauber aus, aber ich spürte den dumpfen Geruch der Armut.
Ich folgte den erregten Stimmen. Als ich hereinstürzte, fand ich Khaleed in Tränen aufgelöst und sein Mädchen bleich, aber mit eindeutig dickköpfigem Gesichtsausdruck. Beide starrten mich an. Ich lächelte zurück. Der junge Mann schlug sich vor die Stirn, während das Mädchen schrill loskreischte.
Meiner Erfahrung nach das übliche Szenario.
»Sie sind also Sophrona!« Sie war nicht mein Typ. Auch gut; schließlich war sie nicht mein Schatz.
»Gehen Sie weg!« schrie sie. Sie mußte verstanden haben, daß ich nicht den weiten Weg gekommen war, um ihr eine unerwartete Erbschaft anzukündigen.
Sie war groß, größer als Helena, deren Länge schon beachtlich ist. Ihr Körper war hagerer als erwartet und erinnerte mich vage an jemanden aber mit Sicherheit nicht an Helena. Sophrona war dunkelhaarig und trug das glatte Haar im Nacken zusammengebunden. Sie hatte riesige Augen von einem weichen Braun mit extrem langen Wimpern, die schön waren, wenn man nicht unbedingt verlangte, daß Augen Intelligenz widerspiegeln sollten. Sophrona war sich ihrer Wirkung bewußt und schaute einen dauernd von der Seite her an; irgend jemand mußte das mal bewundert haben. Bei mir wirkte es nicht. Ich hätte sie am liebsten am Kinn gepackt und ihr gesagt, sie solle diese dämliche Pose lassen. Aber das hätte keinen Zweck gehabt. Niemand würde ihr das je wieder abgewöhnen; die Geste war ihr zu sehr in Fleisch und Blut übergegangen. Sophrona hatte offenbar vor, sich eines Tages auf ihrem Grabstein mit diesem irritierenden Ausdruck abbilden zu lassen, wie ein verschnupftes, nervöses Rehkitz.
Sie war etwa zwanzig und auf verworfene Weise unverschleiert. Über ihren knochigen Körper hatte sie ein blaues Kleid geworfen, dazu trug sie lächerliche Sandalen und viel zu viel kindlichen Schmuck (lauter baumelnde kleine Tierchen und Ringe aus Silberdraht über den Knöcheln). Das Zeug wäre für eine Dreizehnjährige richtig; Sophrona hätte längst zu erwachsen sein müssen für so etwas. Aber das brauchte sie nicht; sie hatte den Sohn eines reichen Mannes genau da, wo sie ihn haben wollte. Die kleine Schmusekatzen-Nummer hatte ihr das gebracht; sie hielt sich an das, was sie kannte.
»Wer sie ist, geht Sie gar nichts an!« rief Khaleed aufgebracht. Ich stöhnte innerlich. Aufgebrachte Jungs, die den Arm um das Mädchen geschlungen haben, das ich ihnen zu entführen gedenke, sind mir zuwider. Wenn er jetzt schon versuchte, sie vor einem Fremden zu schützen, dessen Motive ganz harmlos sein mochten, würde es um so problematischer werden, wenn ich ihnen die Situation erstmal klar gemacht hatte. »Wer sind Sie?«
»Didius Falco. Ein Freund der Familie.« Beide waren absolute Amateure, fragten noch nicht mal, wessen Familie. »Ich sehe, daß Sie ineinander verliebt sind«, bemerkte ich pessimistisch. Beide nickten sie trotzig, was rührend hätte sein können, wenn es nicht so ungelegen gewesen wäre. »Ich glaube, ich kenne einen Teil Ihrer Geschichte.« Man hatte mich schon früher damit beauftragt, unpassende Verbindungen zu lösen, daher legte ich erstmal einen gewinnenden Ton vor. »Würde es Ihnen was ausmachen, sie mir trotzdem zu erzählen?«
Wie alle Jugendlichen ohne Gefühl für moralische Verpflichtungen, waren sie stolz auf sich. Und so kam alles holterdipolter heraus: wie sie sich in Thalias Menagerie kennengelernt hatten, als Habib Rom besuchte, aus erzieherischen Gründen von seinem halbwüchsigen Sohn begleitet. Khaleed hatte sich zunächst kühl gezeigt und war brav mit Papa nach Syrien zurückgekehrt. Dann hatte Sophrona alles hingeschmissen, um ihm zu folgen; Jungs aus reichen Familien wirken so romantisch. Irgendwie schaffte sie es bis Damaskus, ohne unterwegs vergewaltigt oder ertränkt zu werden. Beeindruckt von ihrer Hingabe, hatte sich Khaleed nun mehr als bereitwillig auf eine heimliche Liaison eingelassen. Als seine Eltern dahinter kamen, machte sich das Paar gemeinsam aus dem Staub. Doch ein Freund des Vaters hatte ihn entdeckt, Khaleed wurde aus ihrem Liebesnest geholt und sollte nun nach Damaskus zurückgezerrt werden, wo man so bald wie möglich eine passende Braut für ihn finden würde.
»Ach, wie traurig!« Ich überlegte, ob ich Khaleed eins auf die Rübe geben, mir
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