Letzter Akt in Palmyra
ich?«
»Natürlich nicht«, warf ich gewichtig und mit Unschuldsmiene ein. »Aber wäre es andererseits nicht ärgerlich, wenn gerade in dem Augenblick, wo du deine wertvolle Wasserorgelspielerin wiedergefunden hast, irgendeine lästige Verwandte aus dem Nichts auftaucht, die darauf brennt, dem Mädchen von seiner Familie zu erzählen? Und es dann mir nichts, dir nichts einer anderen Truppe als deiner einverleiben möchte?«
»Darauf kannst du wetten!« stimmte Thalia in gefährlichem Ton zu. Sie hatte offensichtlich nicht vor, Sophrona ein solches Schicksal widerfahren zu lassen.
In diesem Moment erschien Musa, was Thalia erlaubte, die Geschichte mit Phrygia erstmal beiseite zu schieben. »Wo warst du denn so lange? Ich dachte schon, Pharao wäre ausgerissen.«
»Ich habe Zeno zu einem Bad in der Quelle mitgenommen; er wollte nicht zurück.«
Mir wurde ganz anders bei dem Gedanken, einen Riesenpython zu überreden, brav zu sein. »Was passiert, wenn er auf dumme Gedanken kommt und seinen eigenen Kopf durchsetzen will?«
»Man packt ihm am Genick und pustet ihm ins Gesicht«, erklärte Musa ruhig.
»Das werde ich mir merken!« kicherte Helena mit einem anzüglichen Seitenblick auf mich.
Musa hatte ein Papyrus mitgebracht, eng beschrieben in dieser seltsam eckigen Schrift, an die ich mich vage von Inschriften in Petra erinnerte. Als wir uns zum Essen setzten, zeigte er es mir; ich mußte ihn aber um eine Übersetzung bitten.
»Das ist der Brief, den ich erwähnt habe, Falco, von Shullay, dem alten Priester in meinem Tempel. Ich hatte ihm eine Nachricht gesandt und ihn gefragt, ob er den Mann beschreiben könnte, den er vom Hohen Opferplatz herunterkommen sah, bevor Sie auftauchten.«
»Genau. Irgendwas, das uns weiterhilft?«
Musas Finger wanderte über den Brief. »Er beginnt damit, daß er sich an den Tag erinnert, die Hitze, die Friedlichkeit unseres Gartens am Tempel …« Sehr romantisch, aber nicht gerade das, was ich unter Beweisen verstehe. »Ah. Hier schreibt er jetzt: ›Ich war erstaunt, jemanden so schnell vom Hohen Opferplatz herunterkommen zu hören. Er stolperte, fiel beinahe hin, war aber sonst leichtfüßig. Als er mich erblickte, verlangsamte er den Schritt und fing unbekümmert zu pfeifen an. Es war ein junger Mann, etwa in deinem Alter, Musa, und auch von deiner Größe. Er war schlank und bartlos. Er trug diesen Hut …‹ Shullay fand später den Hut hinter den Felsen weiter unten am Berg. Sie und ich müssen ihn übersehen haben, Falco.«
Meine Gedanken rasten. »Viel Neues bringt es nicht, aber es ist trotzdem sehr nützlich! Wir haben sechs potentielle Verdächtige, von denen wir jetzt, dank Shullay, einige ausschließen können. Chremes und Davos sind beide zu alt und zu schwer für diese Beschreibung.«
»Philocrates ist zu klein«, fügte Musa hinzu. Wir grinsten beide.
»Außerdem hätte Shullay es sicher erwähnt, wenn der Mann so gut ausgesehen hätte! Congrio ist wahrscheinlich zu schlank. Er ist so dürr, daß Shullay, hätte er ihn gesehen, Congrios Klappergestell bestimmt näher beschrieben hätte. Außerdem kann er nicht pfeifen. Damit bleiben uns«, faßte ich ruhig zusammen, »nur noch Grumio und Tranio.«
Musa beugte sich erwartungsvoll vor. »Was machen wir jetzt?«
»Erstmal gar nichts. Da ich nun weiß, daß es einer der beiden ist, muß ich mich darauf konzentrieren, den Richtigen zu identifizieren.«
»Du kannst die Arbeit an deinem Stück nicht unterbrechen, Falco!« bemerkte Thalia tadelnd.
»Nein, nicht, wenn eine ganze Garnison danach brüllt.« Ich setzte eine kompetente Miene auf, die vermutlich niemanden täuschte. »Das Stück muß ich gleichzeitig durchziehen.«
LXVII
Ein halbfertiges Stück mit einer Bande anmaßender Aufrührer zu proben, die es nicht ernst nehmen wollen, gab mir fast den Rest. Ich kapierte nicht, was sie daran auszusetzen hatten. Der redselige Geist war ein völlig normales Stück. Der Held, gespielt von Philocrates, war ein Typ namens Moschion – traditionell der Name eines jugendlichen Tunichtguts. Sie wissen, was ich meine – Ärger mit den Eltern, Pech in der Liebe und unsicher, ob er total über die Stränge schlagen oder sich im letzten Akt doch noch als guter Junge erweisen soll.
Ich hatte noch nicht endgültig beschlossen, wo das Ganze spielen sollte; irgendeine Gegend, wo niemand gern hinwill. Illyrien vielleicht.
Im ersten Akt fand eine Hochzeit statt, im Gegensatz zu all jenen Stücken, in denen die
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