Letzter Akt in Palmyra
unter einem Vorwand zurückgeblieben, und ich hörte ihn zu Thalia sagen: »Ich erinnere mich an Tegea!« Helena versetzte mir einen Tritt, worauf ich gehorsam so tat, als hätte auch ich mit dem Essen alle Hände voll zu tun. Wie üblich war Davos sehr direkt. »Sie will das Baby finden.«
»Das dachte ich mir schon«, erwiderte Thalia ziemlich trocken, legte den Kopf zurück und blickte ihn herausfordernd an. »Ein bißchen spät! Und außerdem ist es kein Baby mehr.«
»Was ist passiert?« fragte Davos.
»Wenn man mir unerwünschte Lebewesen überläßt, ziehe ich sie für gewöhnlich groß.«
»Es ist also am Leben?«
»Als ich sie das letzte Mal sah, war sie es zumindest«, teilte Thalia ihm mit. Helena warf mir einen Blick zu. Demnach war Phrygias Baby ein Mädchen. Darauf waren auch wir beide bereits gekommen.
»Und inzwischen erwachsen?«
»Eine vielversprechende kleine Künstlerin«, bestätigte Thalia stolz. Auch das war für uns keine Überraschung mehr.
Davos grunzte, scheinbar befriedigt, und ging Chremes und Phrygia nach.
»So! Was ist denn nun in Tegea passiert?« fragte ich unschuldig, als wir wieder unter uns waren. Thalia hätte wahrscheinlich gesagt, daß Männer nie unschuldig sind.
Sie zuckte die Schultern, tat gleichgültig. »Nicht viel. Es ist eine kleine griechische Stadt, ein winziger Flecken auf dem Peloponnes.«
»Wann warst du dort?«
»Oh … wie wär’s mit vor zwanzig Jahren?«
»Ach ja?« Wir wußten beide, wohin dieses Gespräch führen würde. »War das zu der Zeit, als sich die Frau unseres Schauspieldirektors die oft erwähnte Chance entgehen ließ, in Epidauros die Medea zu spielen?«
Woraufhin Thalia aufhörte, die Unbeteiligte zu spielen, und in schallendes Gelächter ausbrach. »Mach einen Punkt! Das hat sie erzählt?«
»Es ist allgemein bekannt.«
»Völliger Blödsinn! Sie spinnt, Falco.« Das sagte sie nicht unfreundlich. Thalia wußte, daß die meisten Leute sich ihr Leben lang etwas vormachen.
»Wirst du uns die wahre Geschichte erzählen, Thalia?«
»Ich bin gerade dabei. Die Schwindeleien und alles andere!« Ihre Stimme wurde leiser, beinahe traurig. »Phrygia und die Medea spielen? Daß ich nicht lache! Irgendein schleimiger Theaterproduzent, der ihr unter die Röcke wollte, behauptete, er könne das für sie arrangieren, aber dazu wäre es nie gekommen. Schon deshalb nicht – und das solltest du eigentlich wissen, Falco –, weil die Griechen keine weiblichen Schauspieler zulassen.«
»Stimmt.« Auch im römischen Theater war es eher selten. Aber in Italien traten Schauspielerinnen schon seit Jahren in Mimen auf, derben Volkskomödien, die nur ein Vorwand für Stripteasedarbietungen waren. In Truppen wie unserer, und mit einem Direktor wie Chremes, der sich von jeder willensstarken Person einfach über den Haufen rennen ließ, konnten sie inzwischen ihr Brot auch mit Sprechrollen verdienen. Aber Gruppen wie unsere nahmen niemals an den traditionellen Theaterfestivals in Griechenland teil.
»Was geschah dann, Thalia?«
»Sie war eine unter vielen, als Sängerin und Tänzerin im Chor engagiert. Aber sie hatte große Rosinen im Kopf, wartete nur darauf, daß irgendein Dreckskerl ihr weismachen würde, sie könne es bis an die Spitze schaffen. Am Ende war sich schwängern lassen der einfachste Ausweg.«
»Sie bekam also das Baby …«
»Das pflegt das Ergebnis einer Schwangerschaft zu sein.«
»Und in Tegea gab sie es weg?«
Inzwischen war alles ziemlich klar. Erst gestern hatte ich eine hochgewachsene, magere, mir bekannt vorkommende Zwanzigjährige gesehen, von der ich wußte, daß sie ein Pflegekind war. Mir fiel ein, daß Heliodorus Phrygia angeblich erzählt hatte, ihre Tochter sei von jemandem gesehen worden, den er kannte. Das konnte Tranio sein. Tranio war im Circus Vaticanus aufgetreten; Thalia hatte ihn dort getroffen, und er kannte wahrscheinlich ihre Truppe – seinem jetzigen Verhalten nach zu schließen, ganz besonders die Mädchen. »Sie hat es dir gegeben, Thalia? Und wo ist das Kind? Vielleicht muß sich Phrygia nur an einem Ort wie Palmyra umschauen …«
Thalia versuchte, mich mit einem wissenden Lächeln abzuspeisen.
Helena mischte sich ein, sagte ruhig: »Ich glaube, wir könnten Phrygia jetzt sagen, wer ihr Baby ist, Marcus.«
»Behalten Sie das gefälligst für sich!« befahl Thalia.
Helena grinste sie an. »Ach, Thalia! Erzählen Sie mir nicht, daß Sie Phrygia hinters Licht führen wollen.«
»Wer,
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