Letzter Akt in Palmyra
in reiche, dunkle, fruchtbare Erde mit Kornfeldern, Weinbergen und Obstgärten über. Die Nabatäer nutzten die mageren Regenfälle sinnvoll durch ein System flacher Terrassen auf beiden Seiten der Wadis aus: breite Erdbänke wurden in vierzig bis fünfzig Fuß Abstand durch niedrige Mauern begrenzt, über die alles überschüssige Wasser auf die nächste Terrasse hinunterlief. Es schien gut zu funktionieren. Es wurden sowohl Weizen als auch Gerste angebaut. Für Öl und Wein hatten sie Oliven und Trauben. Ihr Obst war eine üppige Mischung aus Feigen, Datteln und Granatäpfeln, während sie bei den Nüssen – von einer ansehnlichen Auswahl – die Mandel bevorzugten.
Die ganze Atmosphäre war jetzt anders. Statt der langen Nomadenzelte, die wie bucklige Raupen wirkten, sahen wir jetzt hübsche Häuser, die von eigenen Gärten und kleinen Ländereien umgeben waren. Statt frei herumlaufender Steinböcke und Klippschliefer sahen wir angepflockte Esel und Ziegen.
In Bostra sollten wir den Rest von Chremes’ Leuten treffen. Die Gruppe, die Helena und ich in Petra kennengelernt hatten, war der harte Kern, hauptsächlich Schauspieler. Die Bühnenarbeiter, Musiker und der größte Teil der Kulissen waren im Norden zurückgeblieben (was sehr freundlich schien), für den Fall, daß die anderen in den Bergen eine feindselige Aufnahme fanden. Was den Mord betraf, konnte ich sie als Täter ausschließen und mich ganz auf die erste Gruppe konzentrieren.
Ziemlich zu Anfang unserer Reise hatte ich Chremes gefragt: »Warum ist Heliodorus denn nun wirklich spazierengegangen?«
»Einfach loszulaufen, paßt zu ihm. Das tun sie alle – eigensinnige Bande.«
»Wollte er in Ruhe allein einen zur Brust nehmen?«
»Das bezweifle ich.« Chremes zuckte die Schultern. Er zeigte ein auffälliges Desinteresse an diesem Todesfall.
»Außerdem war er ja nicht allein. Wer war bei ihm?« Ein Schuß ins Blaue, schließlich fragte ich nach dem Namen des Mörders.
»Keiner weiß es.«
»Sie wissen, wo alle anderen waren?« Natürlich nickte er. Ich würde das später überprüfen. »Doch da muß es doch noch einen Schluckspecht geben?« drängte ich.
»Der hätte kein Glück gehabt. Von seiner Flasche gab Heliodorus nie was ab.«
»Könnte es sein, daß sein Begleiter selbst eine Flasche – oder einen Ziegenschlauch – hatte, auf den Heliodorus scharf war?«
»Oh ja! Das ist sehr gut vorstellbar.«
Vielleicht hatte der Stückeschreiber einen Bekannten, von dem niemand wußte. »Hätte sich Heliodorus mit jemandem aus Petra anfreunden können, jemand außerhalb der Gruppe?«
»Auch das bezweifle ich.« Chremes schien sich recht sicher. »Die Einheimischen waren sehr reserviert, und wir kommen nicht viel mit Händlern zusammen – oder sonst jemandem. Wir sind eine eng miteinander verbundene Familie; es gibt unter uns schon genug Gezanke; da braucht keiner auch noch Ärger von außen. Außerdem waren wir nicht lange genug in der Stadt, um Kontakte zu knüpfen.«
»Ich habe ihn den Berg hinaufgehen hören und hatte das Gefühl, daß er seinen Begleiter kannte.« Chremes schien zu merken, worauf meine Fragen hinausliefen. »Genau: Sie meinen also, daß er von jemandem aus der Truppe ermordet worden ist.«
Daraufhin bat mich Chremes, Augen und Ohren offen zu halten. Er gab mir zwar keinen offiziellen Auftrag, der am Ende bezahlt werden würde – das wäre zuviel der Hoffnung gewesen. Aber trotz seiner anfänglichen Abneigung, selbst in die Sache verwickelt zu werden, wollte er doch wissen, ob er einen Mörder unter den Seinen hatte. Die Leute sind gern bereit, ihre Gefährten zu beleidigen oder sie für den Wein bezahlen zu lassen, solange sie nicht befürchten müssen, damit die Art Mann zu verärgern, der seine Reisegefährten kopfüber in ein Wasserbecken steckt, bis ihnen die Luft wegbleibt.
»Erzählen Sie mir von Heliodorus, Chremes. War er bei irgend jemandem unbeliebt?« Es schien eine einfache Frage.
»Ha! Den konnte niemand leiden!« schnaubte Chremes.
Das war ein guter Anfang. Die Leidenschaft, mit der er das hervorstieß, machte mir klar, daß alle aus der Gruppe für den Mord an dem Stückeschreiber in Frage kamen. Helena und ich mußten also alle in unsere Überlegungen mit einbeziehen.
XIV
Bostra war eine aus schwarzem Basalt auf dieser dunklen, gepflügten Erde erbaute Stadt. Eine blühende Stadt. Es gab Handel, aber den größten Teil ihres Wohlstands erzeugte sie selbst. Man betrat die Stadt durch ein
Weitere Kostenlose Bücher