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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Tusculum.«
    »Sie sind weit weg von Zuhause.«
    »Das bin ich seit zwanzig Jahren.«
    Ich gluckste. »Wie das – die alte ›eine Frau zuviel, und enterbt war ich sowieso‹-Geschichte?«
    »Es gab dort nichts für mich zu holen. Tusculum ist ein todlangweiliges, unzivilisiertes, rückständiges Nest.« Die Welt ist voller Leute, die über ihren Geburtsort herziehen – als glaubten sie wirklich, daß das Kleinstadtleben woanders besser sei.
    Helena schien Spaß an der Sache zu haben; ich ließ sie weitermachen. »Und wie sind Sie dann hier gelandet, Chremes?«
    »Wer sein halbes Leben auf wackligen Bühnen bei Gewitterstürmen vor provinziellen Dummköpfen aufgetreten ist, die nur miteinander über ihre Geschäfte schwatzen wollen, wird regelrecht süchtig danach. Ich habe eine Frau – eine, die mich haßt, und ich sie nicht weniger –, und mir fällt nichts Besseres ein, als auf ewig diesen Haufen abgetakelter Großmäuler in alle Städte zu zerren, die wir unterwegs finden …«
    Chremes redete beinahe zu bereitwillig. Wieviel davon war wohl nur eine Pose? »Wann haben Sie Italien eigentlich verlassen?« fragte Helena.
    »Zum ersten Mal vor zwanzig Jahren. Vor fünf Jahren kamen wir wieder nach Osten, zusammen mit Neros berühmter Griechenlandtournee. Als er es satt hatte, sich von bestochenen Richtern Lorbeerkränze aufs Haupt drücken zu lassen und wieder heimfuhr, zogen wir weiter und landeten schließlich in Antiochia. Die echten Griechen wollten nicht sehen, was die Römer ihrer Theatertradition angetan hatten, aber die sogenannten hellenistischen Städte hier, die seit Alexander nichts Griechisches mehr gesehen haben, bilden sich ein, wir würden ihnen meisterliche Theateraufführungen bieten. Wir merkten, daß wir in Syrien überleben konnten. Die Leute sind verrückt nach Dramen. Dann wollte ich es mal in Nabatäa probieren. Wir spielten uns nach Süden – und dürfen jetzt, dem Bruder sei Dank, wieder nach Norden ziehen.«
    »Ich verstehe nicht ganz.«
    »Petra hat auf unser kulturelles Angebot so begeistert reagiert wie eine Pavianfamilie auf eine Vorstellung der Troerinnen. «
    »Sie hatten also bereits vor, die Stadt zu verlassen, bevor Heliodorus ertrank?«
    »Ausgewiesen vom Bruder. Sowas passiert in unserem Beruf ziemlich oft. Manchmal werden wir ohne Grund aus der Stadt vertrieben. In Petra kamen sie uns zumindest mit einer passablen Ausrede.«
    »Wie war die?«
    »Wir planten eine Vorstellung in ihrem Theater – obwohl die Götter wissen, wie primitiv das Ding ist. Aischylos hätte nur einen Blick darauf geworfen und wäre sofort in Streik getreten. Aber wir wollten den Goldtopf spielen – schien uns passend, schließlich haben sie alle reichlich davon. Congrio, unser Wandschreiber, hatte schon überall in der Stadt die Einzelheiten an die Wände geschrieben. Dann wurde uns feierlich mitgeteilt, daß das Theater nur für Begräbniszeremonien benutzt werden dürfe. Die stillschweigende Folgerung daraus war, daß diese Begräbniszeremonie, sollten wir ihre Bühne entweihen, durchaus uns gelten könnte … Ein seltsames Volk«, stellte Chremes fest.
    Diese Art von Bemerkung ruft meist Schweigen hervor. Kritische Kommentare zu Ausländern läßt die Menschen an ihre eigenen Landsleute denken – und überzeugt sie kurzfristig davon, daß die daheim Zurückgebliebenen vernünftig und ihrer Sinne mächtig sind.
    »Wenn Sie alle drauf und dran waren, Petra zu verlassen«, fragte Helena nachdenklich, »wieso ist Heliodorus dann spazierengegangen?«
    »Warum? Weil er ein ständiges Ärgernis war!« schnaubte Chremes. »Typisch für ihn, sich einfach dünne zu machen, wenn wir am Packen waren.«
    »Ich finde trotzdem, daß Sie die Leiche hätten identifizieren sollen«, warf ich ein.
    »Ach, er wird es schon sein«, beharrte Chremes unbeeindruckt. »Er war genau der Typ, der Unglück anzieht, und noch dazu im unpassendsten Moment. Durch seinen Tod einen heiligen Ort zu entweihen und uns alle in den Kerker zu bringen, das sieht ihm ähnlich. Verschlafene Beamte jahrelang über die Ursache seines Todes streiten zu lassen, wäre Heliodorus wie ein gelungener Witz vorgekommen.«
    »Ein Komödiant?«
    »Er hielt sich dafür.« Chremes sah Helena lächeln und fühlte sich bemüßigt, hinzuzufügen: »Jemand anderes mußte die Witze für ihn schreiben.«
    »Nicht kreativ?«
    »Wenn ich Ihnen erläutern würde, was ich von Heliodorus halte, würde das unfreundlich klingen. Also lassen wir es dabei bewenden:

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