Letzter Akt in Palmyra
beeindruckendes Tor in eindeutig nabatäischer Bauweise, und der König besaß hier einen zweiten Palast. Für römische Augen wirkte alles recht fremdländisch – aber es war eine Stadt, die wir verstehen konnten. Genervte Eselstreiber verfluchten uns, während wir unentschlossen herumstanden. Ladenbesitzer betrachteten uns von ihren ganz normal wirkenden Ständen mit berechnenden Augen und riefen, wir sollten doch näherkommen und ihre Waren begutachten. Der vertraute Geruch von brennendem Holz aus Bädern und Herdstellen lag in der Luft, als wir am frühen Abend eintrafen. Die verlockenden Düfte von den Imbißständen waren würziger, aber der Gestank einer Gerberei war ebenso abscheulich wie zu Hause, und das flackernde Lampenöl in den Wohnvierteln der Armen roch hier genauso ranzig wie auf dem Aventin.
Zuerst konnten wir den Rest der Truppe nicht finden. Sie waren nicht in der Karawanserei, wo man sie zurückgelassen hatte. Chremes schien nur ungern Erkundigungen einziehen zu wollen; daraus schlossen Helena und ich, daß es in seiner Abwesenheit vermutlich Ärger gegeben hatte. Verschiedene Mitglieder unserer Gruppe machten sich auf die Suche nach ihren Kollegen, während wir Wagen und Gepäck bewachten. Mit Musas schweigender Hilfe bauten wir unser Zelt auf, aßen zu Abend und setzten uns dann hin, um die Rückkehr der anderen abzuwarten. Es war die erste Gelegenheit, allein alles durchzusprechen.
Während der Fahrt hatten wir einzelne Mitglieder näher kennengelernt, indem wir ihnen so ganz nebenbei Mitfahrgelegenheiten auf unserem Karren anboten. Und wenn Helena meine Versuche, unseren temperamentvollen Ochsen unter Kontrolle zu halten, satt hatte, sprang sie einfach ab und fuhr auf anderen Wagen mit. Inzwischen hatten wir mit fast allen Kontakt aufgenommen; ob wir Freunde gewonnen hatten, war dagegen eher zweifelhaft.
Wir wollten die möglichen Motive aller erfahren – die der weiblichen Mitglieder eingeschlossen.
»Der Täter ist ein Mann«, hatte ich Helena erklärt. »Wir haben ihn auf dem Berg gehört. Aber man muß kein Zyniker sein, um sich vorzustellen, daß eine Frau den Grund dafür geliefert haben könnte.«
»Oder den Wein gekauft und den Plan ausgeheckt hat«, stimmte Helena zu. »Was für ein Motiv kommt deiner Meinung nach in Frage?«
»Geld können wir wohl ausschließen. Keiner von ihnen hat genug davon. Da bleibt uns nur das Übliche – Neid oder Eifersucht.«
»Also müssen wir die Leute fragen, was sie von dem Stückeschreiber hielten. Werden sie sich nicht wundern, warum wir das wissen wollen?«
»Du bist eine Frau; du kannst ganz einfach neugierig sein. Ich werde ihnen sagen, daß der Mörder offenbar einer von uns ist und ich mir daher Sorgen um deine Sicherheit mache.«
»Was für eine Scheiße!« verhöhnte mich meine elegante Prinzessin mit einem der drastischen Sprüche, die sie von mir aufgeschnappt hatte.
Mir war inzwischen klar, auf was für eine Art von Theatertruppe wir da gestoßen waren. Ein launischer, unzuverlässiger Haufen. Es würde uns nie gelingen, einen von ihnen festzunageln, wenn wir die Sache nicht logisch angingen.
Der größte Teil der Reise war damit draufgegangen, sie voneinander zu unterscheiden. Jetzt saßen wir vor unserem Zelt. Musa war bei uns, hockte zwar wie immer ein wenig abseits und sagte kein Wort, hörte aber ruhig zu. Es gab keinen Grund, unsere Unterhaltung vor ihm geheimzuhalten, also sprachen wir Griechisch.
»Na gut, dann laß uns mal die Besetzungsliste durchgehen. Sie wirken zwar alle wie klassische Komödiencharaktere, aber ich wette, daß keiner ist, was er zu sein scheint …«
Ganz oben auf der Liste stand natürlich Chremes. Uns zu Nachforschungen zu ermutigen, mochte ihn als Verdächtigen ausschließen – konnte aber auch heißen, daß er äußerst gerissen war. Ich zählte auf, was wir über ihn wußten: »Chremes ist der Direktor der Truppe. Er stellt neue Mitglieder ein, wählt das Stück aus, verhandelt die Honorare und bewahrt die Geldkassette unter seinem Bett auf. Ihn interessiert nur, ob alles möglichst reibungslos läuft. Er müßte schon erheblichen Zorn haben, um die Zukunft seiner Truppe aufs Spiel zu setzen. Er wußte, daß eine Leiche sie in Petra alle ins Gefängnis bringen konnte, und ihm war nur wichtig, die Truppe so schnell wie möglich wegzubringen. Aber wir wissen, daß er Heliodorus verachtete. Wissen wir auch, warum?«
»Heliodorus taugte nichts«, erwiderte Helena ungeduldig.
»Warum hat
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