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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Er war ein schäbiger, heruntergekommener Suffkopf ohne jedes Gefühl für Sprache, Takt oder Versmaß.«
    »Sie sind ein maßvoller Kritiker!«
    »Ich versuche nur, gerecht zu sein.«
    »Man wird ihn also nicht vermissen?« erkundigte ich mich ruhig.
    »Ach, natürlich wird man ihn vermissen! Er war angestellt, um eine bestimmte Arbeit zu erfüllen, die niemand sonst übernehmen kann …«
    »Ah, Sie meinen, die sonst keiner will?« Ich sprach aus der Erfahrung meines eigenen Berufes.
    »Was war das denn für eine Aufgabe?« fragte Helena mit der leichten, sorglosen Stimme eines Mädchens, dessen Gefährte dringend ein bißchen was verdienen muß.
    »Er war unser Gelegenheitsdramatiker.«
    Das schien selbst Helena zu erstaunen. »Der Mann, den wir gefunden haben, hat Theaterstücke geschrieben?«
    »Aber nicht doch!« Chremes war schockiert. »Wir sind eine respektable Truppe mit einem guten Ruf; wir spielen nur das eingeführte Repertoire! Heliodorus hat Stücke adaptiert. «
    »Was heißt das?« Helena stellte immer direkte Fragen. »Übersetzungen vom Griechischen ins Lateinische?«
    »Alles und nichts. Keine Gesamtübersetzungen, aber ein Aufpeppen der schwülstigen Stücke, damit wir das Zeug überhaupt sprechen können. Umschreiben der Geschichten, wenn die Rollen von unserer Truppe nicht zu spielen sind. Neue Personen dazuerfinden, um die Handlung zu beleben. Er sollte auch Witz hineinschreiben, aber wie gesagt, Heliodorus hätte einen komischen Dialog erst dann erkannt, wenn der aufgesprungen wäre und ihn ins Auge geboxt hätte. Wir spielen hauptsächlich Neue Komödie. Das hat zwei entscheidende Nachteile: Erstens ist sie nicht mehr neu, und zweitens, offen gesagt, überhaupt nicht komisch.«
     
    Helena Justina war ein gewitztes, gebildetes Mädchen und empfänglich für Stimmungen. Sie wußte mit Sicherheit, was sie riskierte, als sie fragte: »Wie werden Sie Heliodorus ersetzen?«
    Sofort grinste Chremes mich an. »Brauchen Sie Arbeit?« Er hatte etwas Bösartiges.
    »Welche Qualifikationen braucht man dafür?«
    »Lesen und Schreiben.«
    Ich lächelte zaghaft, wie ein Mann, der zu höflich ist, einem Freund etwas abzuschlagen. Nur kapiert das nie einer.
    »Marcus kann das machen«, warf Helena ein. »Er braucht tatsächlich Arbeit.«
    Manche Mädchen sitzen einfach glücklich mit ihrem Liebsten unter dem Sternenhimmel in der Wüste, ohne ihn gleich jedem vorbeikommenden Unternehmer als Arbeitstier anzubieten.
    »Was sind Sie von Beruf?« fragte Chremes, nun doch vielleicht ein bißchen vorsichtig geworden.
    »In Rom bin ich Privatermittler.« Offenheit schien angebracht, aber ich war nicht so dumm, ihm meine kaiserlichen Verbindungen unter die Nase zu reiben.
    »Oho! Und welche Qualifikationen braucht man dafür ?«
    »Abzischen und Untertauchen.«
    »Wieso Petra?«
    »Ich kam in den Osten, um nach einer vermißten Person zu suchen. Nur eine Musikerin. Aus mir völlig unbegreiflichen Gründen fand der Bruder, ich müsse ein Spion sein.«
    »Ach, machen Sie sich nichts draus!« tröstete mich Chremes fröhlich. »In unserem Beruf passiert das dauernd.« Wenn es ihnen in den Kram paßte, konnte das durchaus der Fall sein. Schauspieler kamen überall hin. Ihrem Ruf in Rom entsprechend, waren sie nicht wählerisch, was ihre Gesprächspartner anging und verkauften oft mehr als geschmackvolle griechische Hexameter. »Also, mein junger Marcus, durch Ihren Rausschmiß aus der Bergfeste sind Sie etwas knapp bei Kasse?«
    »Stimmt, aber setzen Sie mich nicht auf Ihre Gehaltsliste, bevor ich weder Ihr Angebot noch die Bedingungen kenne.«
    »Marcus kann das bestimmt«, unterbrach Helena. Ich mag es, wenn meine Freundinnen Vertrauen in mich haben – aber nicht soviel Vertrauen. »In seiner Freizeit schreibt er Gedichte«, enthüllte sie, ohne mich vorher zu fragen, ob es mir recht war, daß meine Hobbies an die Öffentlichkeit gezerrt wurden.
    »Genau unser Mann!«
    Ich wehrte mich tapfer. Zumindest noch ein bißchen. »Tut mir leid, das sind nur ein paar hingeschmierte und ziemlich lausige Satiren und Elegien. Außerdem hasse ich griechische Stücke.«
    »Tun wir das nicht alle? Das macht nichts«, versicherte Chremes.
    »Es wird dir gefallen!« gluckste Helena.
    Der Schauspieldirektor tätschelte mir den Arm. »Hören Sie, Falco, wenn Heliodorus das konnte, dann kann es jeder.« Genau die Karriere, die mir schon immer vorgeschwebt hatte. Doch es war zu spät, Widerstand zu leisten. Chremes hob die Faust zum

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