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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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Betrunkenen zu streiten. Vielleicht mochte sie meine Umarmung aber auch.
    »Könnte Tranio danach gesucht haben?« fragte sie. Der Kerl hing mir allmählich zum Hals raus, also wies ich sie darauf hin, daß er ziemlich entschieden behauptet hatte, das Verlorene sei keine Schriftrolle.
    »Menschen lügen manchmal!« erinnerte mich Helena pedantisch.
     
    Auch wir hatten, wie die Zwillinge, unser Zelt in der Mitte unterteilt. Hinter dem Vorhang konnte ich Musa schnarchen hören. Der Rest des Lagers lag in tiefer Stille. Es war einer der wenigen Momente völliger Abgeschiedenheit, und ich hatte kein Interesse an einem gewagten griechischen Roman, falls es das war, was Helena las. Es gelang mir, ihr die Schriftrolle zu entwinden und sie vom Bett zu werfen. Ich ließ sie wissen, in welcher Stimmung ich war.
    »Dazu bist du gar nicht in der Lage«, grummelte sie. Nicht ohne Grund, und vielleicht nicht ohne Bedauern.
    Mit einer Anstrengung, die sie mir wohl nicht zugetraut hätte, richtete ich mich auf und tunkte die Fackel in einen Wasserkrug. Als sie zischend verlosch, wandte ich mich Helena wieder zu, um ihr zu beweisen, wie falsch sie mit ihrer Vermutung lag.
    Nachdem ihr klar wurde, daß es mir ernst war und ich womöglich auch lange genug wach bleiben würde, seufzte sie. »Die Vorkehrungen, Marcus …«
    »Unvergleichliche Frau!« Ich ließ sie los, konnte aber zu ihrem Ärger meine Hände doch nicht ganz von ihr lassen, während sie sich über mich aus dem Bett hinauskämpfte.
    Helena und ich waren eins, eine dauerhafte Partnerschaft. Aber wegen ihrer Angst vor Geburten und meiner vor der Armut hatten wir beschlossen, unsere Familie jetzt noch nicht zu erweitern. Wir teilten uns die Last, dem Schicksal zu trotzen. Wir hatten uns geweigert, haarige Spinnenamulette zu tragen, wie es einige meiner Schwestern taten, hauptsächlich wegen des zweifelhaften Ergebnisses: meine Schwestern hatten große Familien. Außerdem meinte Helena, ich hätte nicht genug Angst vor Spinnen, um mich durch ein bloßes Amulett von ihr runtertreiben zu lassen. Statt dessen unterzog ich mich der schrecklichen Peinlichkeit, einen Apotheker zu bestechen, damit er vergaß, daß Geburtenkontrolle gegen die augustinischen Familiengesetze verstieß; und sie ertrug die erniedrigende, klebrige Prozedur mit dem teuren Alaunwachs. Wir mußten beide mit der Furcht leben, daß dieses Mittel versagen würde. Wir wußten, daß wir es in einem solchen Fall nie zulassen würden, unser Kind noch im Mutterleib von einem Kurpfuscher zu töten, unser Leben würde dann also eine ernsthafte Wendung nehmen. Was uns allerdings nie am Kichern über das Mittel gehindert hatte.
    Ohne Licht hörte ich Helena fluchen und giggeln, während sie nach ihrer Specksteindose mit der dicken Wachssalbe kramte, die uns angeblich den Kindersegen ersparen sollte. Nach ein bißchen Gemurmel hopste sie wieder ins Bett. »Schnell, bevor es schmilzt …«
    Manchmal hatte ich den Eindruck, das Alaunwachs funktionierte nach dem Prinzip, die Vollziehung der gefährlichen Sache unmöglich zu machen. Zur Eile angetrieben, bricht, wie jeder Mann weiß, der Wille zum Fortfahren leicht zusammen. Nach so viel Wein schien das noch wahrscheinlicher, obwohl das Wachs zumindest für eine bestimmte Zeitvorgabe sorgte, nach deren Ende, wie mein Trainer Glaucus sagen würde, die Aufrechterhaltung einer Position schwieriger wurde.
    Trotz all dieser Probleme liebte ich Helena mit so viel Geschick, wie eine Frau es von einem Mann erwarten kann, der von zwei derben Clowns in einem Zelt betrunken gemacht worden ist. Und da ich Anweisungen stets mißachte, sorgte ich dafür, daß es sehr langsam geschah und möglichst lange dauerte …
    Stunden später hörte ich Helena murmeln: »Ein Grieche und ein Römer und ein Elefant gingen ins Bordell. Als sie rauskamen, lächelte nur der Elefant. Warum?«
    Ich mußte geschlafen haben. Das konnte ich nur geträumt haben! Es klang wie die Art Witz, mit der mich mein Zeltkamerad Petronius Longus während unserer schlimmsten Legionärszeit vor zehn Jahren unter brüllendem Gelächter zu wecken pflegte.
    Gut erzogene Senatorentöchter sollten noch nicht mal ahnen, daß es solche Witze gibt.

XVIII
    In Bostra fand unser erster Auftritt statt. Manche Dinge bleiben im Gedächtnis haften wie eine sauer gewordene Soße, von der man nach einem billigen Essen bei einem Gastgeber, den man nie hat leiden können, dauernd aufstoßen muß.
    Das Stück hieß Die Piratenbrüder .

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