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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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eigentliche Aufführung bestätigte meine Beunruhigung. Meine mühevolle Neufassung war einfach unter den Tisch gefallen. Alle Schauspieler ignorierten sie. Im Verlauf der Handlung sprachen sie immer wieder von dem fehlenden Geldverleiher, obwohl er nie auftreten würde, und improvisierten dann im letzten Akt ein paar willkürliche Dialoge, um das Problem zu bewältigen. Der Plot, den ich so geistreich wiederbelebt hatte, schrumpfte zu haarsträubendem Schwachsinn zusammen. Die schlimmste Beleidigung für mich war allerdings, daß das Publikum diesen Quatsch schluckte. Die düsteren Nabatäer applaudierten sogar. Sie standen höflich auf und klatschten in ihre über den Kopf erhobenen Hände. Jemand warf sogar etwas, das wie eine Blume aussah; es konnte aber auch eine unbezahlte Wäscherechnung sein.
    »Du bist wütend!« bemerkte Helena, als wir uns den Weg zum Ausgang bahnten. Wir drängelten uns an Philocrates vorbei, der der bewundernden Weiblichkeit am Eingang sein Profil vorführte. Ich steuerte Helena durch eine kleine Gruppe von Männern, die mit verzückten Gesichtern auf die schöne Byrria warteten; diese hatte sich allerdings sofort verzogen, deshalb beäugten sie alles andere Langberockte. Daß meine vornehm erzogene Freundin für eine Flötistin gehalten würde, war momentan mein schlimmster Alptraum. »Ach, nimm es dir doch nicht so zu Herzen, Marcus …« Sie redete immer noch über das Stück.
    Ich erklärte Helena mit knappen Worten, daß es mir scheißegal sei, was eine Bande unlogischer, ungebildeter, unmöglicher Mimen auf der Bühne oder anderswo tat und daß ich bald wieder bei ihr wäre. Dann verzog ich mich, um in dezenter Einsamkeit Fußtritte an ein paar Steine auszuteilen.

XIX
    Der Regen nahm zu. Wenn man eh schon deprimiert ist, trampelt das Glück auch noch gern auf einem herum.
    Ich rannte los und erreichte vor allen anderen das Zentrum unseres Lagers. Hier waren die schweren Wagen zusammengezogen, in der Hoffnung, durch unsere darum herum aufgestellten Zelte mögliche Diebe abzuhalten. Ich sprang über die hintere Klappe des nächsten Wagens und suchte Zuflucht unter der zerlumpten Lederplane, die unsere Bühnendekoration vor dem Wetter schützen sollte. Es war meine erste Gelegenheit, diesen ramponierten Fundus zu inspizieren. Nachdem ich mit dem Fluchen über die Aufführung fertig war, entwarf ich eine scharfe Kündigungsrede, die Chremes um Gnade winseln lassen würde. Dann zog ich meine Zunderbüchse raus und probierte ewig herum, bis es mir schließlich doch gelang, die große Laterne anzuzünden, die bei nächtlichen Verschwörungsszenen auf der Bühne herumgetragen wurde.
    Als die bleiche Flamme gefährlich in dem eisenbeschlagenen Behälter hochschoß, sah ich, daß ich neben einem kleinen Schrein hockte (groß genug, um sich dahinter zu verstecken und andere zu belauschen). Gegenüber lehnten mehrere gemalte Türeingänge, die die in der Neuen Komödie so oft eingesetzten Nachbarhäuser darstellen sollten. Bei der heutigen Aufführung der Piratenbrüder waren sie deshalb nicht eingesetzt worden, weil sie nicht naß werden durften. Statt dessen war der Schauplatz, der eigentlich »Eine Straße in Samothrake« sein sollte, in »Eine felsige Küste« und »Die Straße nach Milet« umgewandelt worden; Chremes hatte einfach den Chor übernommen und seinem wehrlosen Publikum den willkürlichen Ortswechsel mitgeteilt.
    Ich versuchte, eine bequemere Sitzposition zu finden. Unter meinem Ellbogen lag ein altes Holzscheit mit einem angenagelten gräulichen Schal (das »Baby«). Über meinem Kopf stak ein riesiges, gebogenes Schwert. Ich hielt es für stumpf – und verletzte mir den Finger an der Schneide, als ich es genauer wissen wollte. Wissenschaftliche Experimente sind eben riskant. Weiter hinten standen Weidenkörbe, aus denen Kostüme, Schuhe und Masken hervorquollen. Ein Korb war umgefallen und so gut wie leer, nur ein paar Ketten zum Rasseln, ein großer Ring mit einem dicken roten Glasstein (zum Erkennen des verlorenen Sohns), einige Päckchen und ein brauner Krug mit Pistazienschalen (der unvermeidliche Goldtopf) lagen darin. Daneben standen ein ausgestopftes Schaf (das Opferlamm) und ein hölzernes Schwein auf Rädern, das von Tranio in seiner Rolle als gewiefter Koch, der tausend Jahre alte Witze über die Vorbereitung eines Hochzeitsmahles reißt, über die Bühne gezogen wurde.
    Nachdem meine trübsinnige Betrachtung der zerlumpten und verblichenen Pracht, mit der ich den

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