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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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zu betrachten. »Wenn Sie mir sagen, wonach Sie suchen …« bot ich mit leichtem Nuscheln an und wollte ihn einfach nur loswerden.
    »Oh, das ist nicht so wichtig. Es ist sowieso nicht da.« Trotzdem suchte er weiter.
    »Was ist es denn? Das Tagebuch Ihrer fünf Jahre als Sexsklave im Tempel einer östlichen Göttin mit ekstatischem Kult? Das Testament einer reichen Witwe, die Ihnen eine lusitanische Goldmine und einen Trupp dressierter Affen vermacht hat? Ihre Geburtsurkunde?«
    »Ach, viel schlimmer!« lachte er.
    »Suchen Sie nach einer Schriftrolle?«
    »Nein, nein. Nichts dergleichen.«
    Helena beobachtete ihn mit einem Schweigen, das von einem Fremden als Höflichkeit verstanden werden mochte. Persönlich bevorzuge ich verführerische Arten der Unterhaltung. Ich betrachtete sie. Schließlich schlug Tranio den Deckel zu, setzte sich auf die Truhe und ließ die Beine über die mit Nägeln beschlagene Seite baumeln. Der freundliche Bursche sah aus, als wolle er bis zum Morgen dableiben und mit uns quatschen.
    »Kein Glück?« fragte ich.
    »Nein, zum Hades.«
    Helena gähnte ganz offen. Tranio hatte den Wink verstanden, machte eine schwungvolle Geste der Ergebenheit und verschwand.
     
    Meine müden Augen begegneten Helenas Blick. Im schwachen Licht der Fackel, die Tranio uns dagelassen hatte, wirkten ihre Augen dunkler denn je – und nicht ohne eine gewisse Herausforderung.
    »Tut mir leid, Süße.«
    »Tja, du mußt halt deine Arbeit machen.«
    »Trotzdem tut es mir leid.«
    »Hast du was rausgefunden?«
    »Schwer zu sagen.«
    Helena wußte, was das bedeutete: Ich hatte nichts erfahren. Als ich mein Gesicht mit kaltem Wasser wusch, sagte sie: »Chremes kam vorbei, um zu berichten, daß er den Rest der Leute gefunden hat und wir morgen hier auftreten.« Das hätte sie mir genauso gut erzählen können, als wir auf Tranios Abgang warteten, aber Helena und ich tauschten Neuigkeiten lieber diskret aus. Ganz unter uns Dinge zu besprechen, bedeutete uns viel. »Er möchte, daß du die Rolle des Geldverleihers rausnimmst, die Heliodorus sonst spielte. Du sollst dafür sorgen, daß durch das Verschwinden der Figur dem Stück keine wesentlichen Textstellen verlorengehen. Falls doch …«
    »Teile ich den Text jemand anderem zu. Kein Problem!«
    »Dann ist ja gut.«
    »Ich könnte ja auch selbst als Geldverleiher auftreten.«
    »Niemand hat dich darum gebeten.«
    »Wieso eigentlich nicht? Ich kenne diese Burschen. Bei Jupiter, ich hatte genug mit den Dreckskerlen zu tun.«
    »Mach dich doch nicht lächerlich!« spottete Helena. »Du bist ein freigeborener Bürger vom Aventin und viel zu stolz, um so tief zu sinken!«
    »Im Gegensatz zu dir?«
    »Ach, mir würde das nichts ausmachen. Ich bin die Tochter eines Senators; mich zum Gespött zu machen, liegt mir im Blut! Jede Familie, mit der meine Mutter verkehrt, hat mindestens einen abtrünnigen Sohn, über den keiner spricht, weil er durchgebrannt ist und zur Entrüstung seines Großvaters als Schauspieler auftritt. Meine Eltern wären enttäuscht, wenn ich es nicht täte.«
    »Dann werden sie mit ihrer Enttäuschung leben müssen, solange ich das Sagen habe.« Auf Helena Justina aufzupassen, war eine schwierige Aufgabe; sie lachte mich aus. »Ich habe deinem Vater versprochen, dir nichts Unehrenhaftes zustoßen zu lassen«, schloß ich lahm.
    »Du hast ihm gar nichts versprochen.« Das stimmte. Er war viel zu klug, von mir etwas derart Unmögliches zu verlangen.
    »Lies du nur weiter«, meinte ich, und fummelte an meinen Stiefeln rum.
    Helena holte die Schriftrolle unter ihrem Kopfkissen hervor, in der sie vermutlich friedlich gelesen hatte, bevor ich reingetorkelt kam. »Woher wußtest du das?« wollte sie wissen.
    »Ruß von der Lampe auf deiner Nasenspitze.« Da ich seit einem Jahr mit ihr zusammenlebte, war mir nicht entgangen, daß sie, ließe man sie mit vierzig Papyrusrollen allein, sich innerhalb einer Woche durch den ganzen Haufen durchgefressen haben würde wie ein hungriger Bücherwurm.
    »Das hier ist auch ziemlich scheußlich«, bemerkte sie und deutete auf ihre Bettlektüre.
    »Was ist es denn?«
    »Eine sehr derbe Sammlung von Anekdoten und Witzen. Zu schmutzig für dich, bei deiner Unverdorbenheit.«
    »Bin nicht in Stimmung für Pornographie.« Ich machte mehrere Anläufe, das Bett zu erreichen, schaffte es schließlich unter die leichte Decke und kuschelte mich an mein Mädel. Sie ließ es zu. Vielleicht war sie klug genug, nicht mit einem hoffnungslos

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